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WAZ: Bundesweiter Ärzteprotest: Mehr Honorar - nur wovon? - Kommentar von Stefan Schulte

Essen (ots)

Im Gesundheitswesen sieht sich die Politik mächtigen
Lobbyverbänden gegenüber, die angesichts knapper Kassen berechtigte 
Sorgen um ihren Anteil am nicht minder mächtigen Kuchen (230 
Milliarden) haben. Dass sie für ihre halbgare, bürokratie-freundliche
Finanzreform namens Gesundheitsfonds Prügel von allen Seiten 
einsteckt, sollte die Koalition daher nicht wundern.
Der Ärztefrust aber sitzt tiefer und folgt der Grundthese, das 
Gesundheitswesen sei unterfinanziert. Diese Meinung müsste man 
teilen, nähme man allein das medizinisch Mögliche und Erwünschte zum 
Maßstab. Doch in einem System von dieser volkswirtschaftlichen 
Relevanz gelten noch andere Größen. Etwa die der Beiträge, die als 
Lohnnebenkosten auf Wachstum und Beschäftigung wirken. Richtigerweise
kritisieren die Ärzte die Reform auch dafür, dass sie steigende 
Beiträge mitbringt. Nur wie passt dazu die Forderung nach mehr Geld? 
Stabile Beitragssätze und höhere Ärztebezüge - diese Gleichung geht 
nicht auf.
Sie ginge vielleicht auf, würden Beiträge nicht nur auf Löhne, 
sondern auch auf Zinsen und Mieten erhoben, wie Ärztepräsident Hoppe 
gestern just gefordert hat. Doch ist dies nicht das wichtigste 
Element der Bürgerversicherung, die Hoppe ansonsten so 
leidenschaftlich bekämpft? Sich eine zentrale Forderung der 
Ärzte-Unperson Ulla Schmidt auf die Fahnen zu schreiben, trägt schon 
groteske Züge. Bis auf Schmidt übten sich die Politiker gestern in 
Verständnis-Adressen an die weißen Demonstranten. Das klang schön 
diplomatisch, war aber plumpester Opportunismus, denn sie vergaßen zu
erwähnen, wo das Geld für steigende Honorare herkommen soll.
Dabei haben viele Ärzte Grund zu klagen. Wer eine volle Praxis 
hat, bekommt von der Kassenärztlichen Vereinigung nur noch zwei 
Drittel seiner Leistungen bezahlt. Dass die Abrechnung von Punkten 
auf Euro umgestellt wird, kann daran nichts ändern. Wenn die Ärzte 
mehr Geld verdienen, die Beiträge aber nicht noch mehr steigen 
sollen, muss an anderer Stelle gespart werden. Zum Beispiel an 
Medikamenten. Hier tragen die Ärzte freilich Mitverantwortung.
Die Reform bleibt ein Ärgernis für fast alle Betroffenen. Am 
meisten trifft es die Beitragszahler. Auch Apotheker und Kliniken 
müssen bluten. Der für die Ärzte heikelste Punkt ist die Möglichkeit 
der Kassen, Einzelverträge abzuschließen. Die Gefahr ist, dass die 
Kassen dieses Instrument für Wettbewerb nicht um die beste, sondern 
um die billigste Behandlung nutzen. Diese Sorge sollten Sie ernst 
nehmen, Frau Schmidt.

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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