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WAZ: Wenn die Überwachung zunimmt: Zwischen Freiheit und Sicherheit - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Wenn im größten Medium der Welt, auf Myspace.com,
100 Millionen jüngerer Menschen auf diesem globalen Internet-Schulhof
Banales und Intimes dem Rest des Universums in Bild und Text 
mitteilen, was ist denen dann noch die Privatsphäre wert? 
Desgleichen, wenn immer mehr Menschen in Internet-Kaufhäusern und 
Flohmärkten nahezu bedenkenlos ihre Daten dem großen Ganzen verfügbar
machen. Oder Kundenkarten nutzen, weil man dafür Rabatt bekommt oder 
das auf persönliche Bedürfnisse zugeschnittene Angebot.
Internet und Konsum haben einen Wertewandel ausgelöst. Vor 20 
Jahren gingen tausende von Menschen gegen die Volkszählung auf die 
Straße, weil sie fürchteten, wenn sie 30 Fragen nach ihren 
Lebensumständen beantworteten, werde der "Überwachungsstaat" 
ausbrechen. Das Bundesverfassungsgericht schrieb das Recht des 
Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung fest. 20 Jahre danach 
machen die Leute von ihrem Recht Gebrauch, allerdings immer mehr 
nicht durch Diskretion, sondern durch Indiskretion.
Dann kam der Terror. Inzwischen müssen wir befürchten, dass er 
sich in unserer Nachbarschaft abspielt. Wahrscheinlich sind 
Wertewandel plus terroristische Bedrohung die Gründe dafür, weshalb 
heute kaum noch jemand etwas gegen die Ausweitung der Überwachung 
einzuwenden hat. Nach jahrelangem Streit werden die Innenminister nun
eine Anti-Terror-Datei einrichten; sie werden die Ausweitung der 
Video-Überwachung auf öffentlichen Plätzen, die ohnehin vielfach 
schon Normalität ist, beschließen. Infratest hat für den "Spiegel" 
ermittelt, dass 82 Prozent der Bevölkerung dafür sind. Die Menschen 
haben sich daran gewöhnt, in irgendeiner Form öffentliche Existenz zu
sein, und nun kommt die Furcht hinzu, Gewaltopfer zu werden.
Leidet unsere Freiheit, wenn Sicherheit jetzt und wohl auch in 
den nächsten Jahren Konjunktur hat? Oder ist es vielmehr so, dass der
Zugewinn an Sicherheit die Freiheit vergrößert, ja: erst möglich 
macht? Wenn wir am Flughafen länger warten und vielleicht demnächst 
ohne Handgepäck fliegen, beschränkt das dann unsere Freiheit? Oder 
ist das nicht vielmehr die Bedingung der Möglichkeit von Freiheit?
Was das ist, Freiheit und Sicherheit, steht nicht in Stein 
gemeißelt. Was wir darunter verstehen, unterliegt einem Wandel. Im 
Volk wächst jedenfalls die Nachfrage nach Sicherheit. Die Politik 
wird uns, ihren Kunden, um unserer Freiheit willen ein überzeugendes 
Angebot machen müssen.

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Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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