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WAZ: Merkel muss den Städten helfen. Kommentar von Stefan Schulte zur Flüchtlingskrise

Essen (ots)

Nach diesem Sommer lässt sich Angela Merkel nicht mehr auf die Kanzlerin reduzieren, deren Erfolg darauf gründet, sich aus heiklen Dingen herauszuhalten - wie bei den Streitthemen Rente, Mindestlohn oder Energie. In der Flüchtlingsdebatte geht Merkel zum ersten Mal wirklich voran - und damit ein enormes Risiko ein. Von ihr bleiben wird das Bild der Kanzlerin, die Deutschland ein neues, fremdenfreundliches Gesicht verlieh - oder der Kanzlerin, die daran scheiterte. Mit der Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge hat Merkel ihre Schwesterpartei CSU brüskiert und große Teile der CDU-Basis verunsichert. Im Ausland wird sie dafür als letzte moralische Instanz Europas gefeiert, rührende Bilder von den Bahnhöfen gingen um die Welt. Doch der Zeitpunkt naht, da diese Bilder verblassen. Der Herbst und der Winter werden zeigen, ob Deutschland dieser Aufgabe wirklich gewachsen ist. Das entscheidet sich weder im Regierungsviertel noch in französischen Kommentarspalten - sondern in den Städten, die binnen Wochen Tausende Flüchtlinge aufgenommen haben und längst an ihre Grenzen stoßen. Die vielen Helfer arbeiten am Rande des Zumutbaren. Und die Kämmerer nehmen immer neue Kredite auf, die sie aus eigener Kraft nie werden zurückzahlen können. Wenn Merkel will, dass aus ihrer Geste der Menschlichkeit eine Erfolgsgeschichte wird, muss sie den Städten helfen - und zwar sofort. Die Stimmung im Land wird nicht wegen rechtsradikaler Übergriffe kippen - ganz im Gegenteil: Die Flüchtlingshilfe ist erst nach dem Skandal in Heidenau zu einer Mission der Massen geworden. Die größte Gefahr droht nicht vom rechten Rand, sondern aus der Mitte der Gesellschaft. Sieht sie ihren Staat bei dieser Aufgabe versagen, bricht die Willkommenskultur zusammen. Die Stimmung droht zu kippen, wenn die eigene Stadt zum ersten Mal die Schließung eines Schwimmbads mit den Flüchtlingskosten begründet. Dann wird es brenzlig, auch für Merkel. Sie muss das um jeden Preis verhindern, im Zweifel auch um den Preis, die erste schwarze Null seit 1969 später in die Geschichtsbücher zu schreiben.

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