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WAZ: Das Fest und die Kritik an ihm - Zwischen Weihnacht und Wein-Nacht - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Heute Nacht gehen die Älteren in die Christmette.
Und die Jüngeren in die Disko. Die Mette ist rappelvoll. Die Disko 
auch. Ist Weihnachten, wie der Rest der Welt, in der Krise, 
mindestens bei Jungen?
Die These von der Entchristlichung der Weihnacht ist so alt wie 
falsch. Sie beruht auf einem Missverständnis. Weihnachten war nie nur
eine ganz herausragende Gelegenheit zur Besinnung, feierlichen 
Einkehr, Spurensuche nach Christlichkeit in dieser Nacht, in der ein 
ganz besonderes Kind geboren wurde. Weihnachten war, für manche 
gerade deswegen, immer auch ein Fest, und zwar durchaus im 
rauschenden Sinn des Wortes: als Wein-Nacht.
Wer in die Disko geht, um mit anderen "ab"-zufeiern, braucht kein
schlechtes Gewissen zu haben. Schon deshalb nicht, weil die meisten 
der Jung-Erwachsenen es außerordentlich genossen haben, vorher mit 
ihren Eltern und Geschwistern mehr oder weniger andächtig vor der 
geschmückten Tanne zu sitzen; noch nicht berauscht, dafür aber umso 
mehr beseelt von dem feierlichen Moment. Und in gleich doppelter 
Geschenkerwartung.
Natürlich freuen sich alle Kinder auf Geschenke. Aber mindestens 
ebenso sehr darauf, wie die Eltern auf ihre Geschenke reagieren. Und 
hier lauert das nächste sauertöpfische Weihnachtsmissverständnis: 
Weihnachten sei entgeistigt, materialisiert, das Fest des Kommerzes. 
Welch ein Blödsinn: Der Handel macht gute Geschäfte dank der regen 
Nachfrage, und die hat ihren Grund in der Freude am Schenken und 
Beschenktwerden. Was soll daran schlecht sein - etwa das Ritual?
Weihnachten sei sinnentleert, ritualisiert, so das 
miesmacherische Vorurteil. Wer so predigt, vergisst, dass nichts so 
rituell abläuft wie ein Gottesdienst. Rituale sind Anker im Strom, 
sie geben noch Halt, wenn vieles andere längst fortgespült ist. Ein 
Leben ohne Rituale ist: haltlos.
Ein vorletzter Gedanke: Wer keine Familie hat, für den ist 
Weihnachten der furchtbarste Tag des Jahres, hört man oft. Das ist 
Ansichtssache. Im Zwischenmenschlichen ist nur wenig für immer. Wer 
weiß, was ihm fehlt, der ahnt, wonach er suchen muss. An Weihnachten 
sind nicht nur die Diskos voll, sondern auch die Kneipen. Warum wohl?
Der letzte: Selbst der kirchliche, sakrale Teil von Weihnachten 
braucht nicht immer ein Gotteshaus. In Dorsten ist die Kirche 
abgebrannt. Dort feiern sie jetzt unter freiem Himmel. Wie früher. 
Ganz früher.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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