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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Vorhang auf für die nächste Bildungs-Show

Berlin (ots)

Zum Jahresende erlebt das Land traditionell noch
einmal eine Reihe symbolpolitischer Shows, die eines stets gemeinsam 
haben: Für die Nachrichten werden Bilder von wichtig dreinblickenden 
Volksvertretern gemacht, als Ersatz für tatsächliches Handeln. An 
diesem Mittwoch nun wird der Bildungsgipfel gegeben; als 
Hauptdarstellerin tritt Ministerin Schavan vor die Kameras. Die frohe
Botschaft: Seht her, die Regierung fördert Bildung. Wie bei allen 
Bildungsgipfeln bleibt bei Eltern gleichwohl das merkwürdige Gefühl, 
dass sich die Fördermilliarden irgendwo zwischen der großen Berliner 
Bühne und den ramponierten Klassenzimmern einfach auflösen.
So wird es wieder sein. Denn es geht bei diesem Gipfel weniger um 
schlauere Kinder, sondern darum, widerspenstigen Länderchefs ihre 
Stimme zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz abzukaufen. Um was noch? 
Die Studentenproteste haben zu ein paar Krümeln mehr BAföG geführt, 
und eine verkorkste Uni-Reform soll mit einem kostspieligen 
"Qualitätspakt Bologna" gerettet werden. Obendrauf gibt's ein paar 
Stipendien.
Alles schön, alles wohlklingend. Aber die Nöte der Bildungsrepublik 
werden mit sanfter Korruption und Anästhesie kaum zu lindern sein. 
Das deutsche Drei-Klassen-System wird sich weiter in die Gesellschaft
fressen. Oben steht die wachsende Zahl Eltern, die es sich leisten 
können oder wollen, ihren Nachwuchs auf private Schulen schicken, zu 
Auslandsaufenthalten oder zur Nachhilfe. Am unteren, rasch wachsenden
Ende, das die Politik beschönigend "bildungsfern" nennt, werden junge
Menschen auf ein weitgehend erwerbsloses Leben vorbereitet. Für 
Eltern, die keinen Wert auf Bildung legen, weil sie ihr Leben auch 
ohne Bücher halbwegs hinbekommen und diese Botschaft an ihre Kinder 
weitergeben, bleibt der Berliner Gipfel folgenlos. Zwischen 
Bildungselite und Bildungsverweigerern bewegt sich eine schrumpfende 
Mittelklasse, die sich mit dem öffentlichen Angebot arrangiert. Dass 
dieser Dreiteilung nicht entgegengewirkt wird, das ist der wahre 
Gipfel.
Eines der großen Versprechen der Bundesrepublik lautete immer: Jeder,
der will, kann es mithilfe eines vielfältigen deutschen Systems nach 
oben schaffen, notfalls auch später, auf dem zweiten Bildungsweg, so 
wie der frühere Bundeskanzler Schröder. Dieses Versprechen gilt nicht
länger. Internationale Studien belegen einhellig, dass die Zukunft 
junger Menschen entscheidend vom Status der Eltern abhängt. Die 
deutsche Schule ist keine Chancen-Maschine mehr, sondern vertieft 
soziale Gräben.
Ein Land ohne Aufstiegskorridore aber beraubt sich seines 
wichtigsten, zudem kostenlosen Motivationsprogramms. Schüler, die 
früher sagten: "Keinen Bock, hat ja doch keinen Zweck", konnte man 
oft zu Recht der Bequemlichkeit bezichtigen. Heute liegen junge 
Menschen mit defätistischen Sprüchen leider meist richtig. 
Inszenierungen wie dieser "Bildungsgipfel" ringen Schülern nur mehr 
ein mattes Lächeln ab. Sie ahnen: Mit ihrem Leben hat die Show auf 
der Berliner Bühne nichts zu tun.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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