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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Familienfeindlichkeit lässt sich leider nicht verbieten - Kommentar

Berlin (ots)

Das Vorhaben ist ehrenwert: Die CSU in Bayern sowie
die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus wollen per Gesetz und 
Verordnung künftig verbieten, dass Nachbarn Klage einreichen, weil 
Kinder das tun, was nun einmal ihre Natur ist. Sie lachen, sie 
schreien, sie toben, sie weinen - kurz: sie leben. Hörbar. Für manche
Menschen tun die Kleinen das zu vernehmlich. Vor allem dort, wo sie 
in größeren Gruppen auftreten, wie etwa in Kindergärten.
Diese Mitbürger setzen dann juristische Abläufe in Gang, an deren 
Ende das Kinderlachen und -weinen per Urteil verboten wird. Wie in 
Berlin, München und gleich mehrfach in Hamburg geschehen. Dann 
herrscht wieder Stille zwischen Ziertannen, akkurat gestutzten Hecken
und per Sichelschnitt gepflegten Rasenflächen.
Kinderlärm-Aversion per Gesetz verbieten zu lassen erscheint zunächst
als lobenswerter Plan. Allerdings mit einer erheblichen 
Einschränkung, die das christsoziale Vorhaben am Ende als 
Symbolpolitik entlarvt. Denn offenbar ist es nach Meinung von 
Experten gar nicht möglich, derartige Klagen per Gesetz zu 
unterbinden.
Aber - der CSU-Plan und die Initiative der Berliner SPD machen auf 
ein Problem aufmerksam, das sich mit Verordnungen und Gesetzen allein
nicht wird lösen lassen: die latente Kinderfeindlichkeit in 
Deutschland.
Fakt ist: Die vielen familienfreundlichen Maßnahmen der 
Bundesregierung in den vergangenen Jahren - von Elterngeld bis 
Kita-Ausbau - haben nicht dazu geführt, dass sich gleichzeitig das 
Bewusstsein der Bürger ebenso positiv verändert hat. Wer jemals mit 
schreienden Kindern in einem Restaurant saß, weiß, wovon die Rede 
ist.
Und dieses Problem wird sich in den kommenden Jahren weiter 
verschärfen. Die Altersentwicklung der Gesellschaft ist daran schuld.
Die Zahl der Älteren nimmt zu. Sie haben aber entweder keine Kinder, 
oder diese sind längst aus dem Haus. Und die Generation zwischen 20 
und 35 Jahren lässt sich Zeit mit dem Nachwuchs. Wir werden uns also 
darauf einstellen müssen, dass die älteren kinderlosen Paare bald in 
der übergroßen Mehrzahl sein werden - und somit die Plätze und die 
Toleranz für lärmende Kinder entsprechend weniger werden.
Das ist eine alarmierende Entwicklung, der schleunigst 
entgegengewirkt werden muss. Allerdings nicht auf die Weise, wie es 
die CSU plant. Das hilft, wenn überhaupt, Richtern an Amts- und 
Landesgerichten, die sich dann mit weniger Klagen herumschlagen 
müssen. Es führt aber wohl kaum zu einer notwendigen Veränderung im 
Umgang mit den Sprösslingen.
Die wird nur dann eintreten, wenn sich die Gesellschaft insgesamt 
wieder bewusst macht, dass Kinder keine Belastung darstellen, sondern
das wichtigste Kapital für die eigene Zukunft sind. Und das wird nur 
passieren, wenn möglichst viele Menschen möglichst oft Kinder 
zumindest einmal sehen - oder hören. Dieser Gedanke schließt jedoch 
kategorisch aus, dass Kleingeister Kindergärten per Klage aus ihrer 
Nachbarschaft vertreiben dürfen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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