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Rheinische Post: Syrien darf nicht zum zweiten Libyen werden = Von Michael Bröcker

Düsseldorf (ots)

Der mutmaßliche Giftgasangriff des syrischen Machthabers Assad auf sein Volk lässt einen alten Grundsatzstreit mitten im Wahlkampf aufbrechen. Darf es einen Kriegseinsatz aus humanitären Gründen geben: ja oder nein? Und wenn ja, auch ohne UN-Mandat? Die Äußerungen der Regierungsmitglieder sind trotz aller öffentlichen Schärfe intern vorsichtig. Von "unkalkulierbarem Risiko" ist die Rede. FDP-Außenminister Guido Westerwelle predigt eine "Kultur der militärischen Zurückhaltung". Es drohe ein "Flächenbrand", sagt CDU-Experte Ruprecht Polenz. Was SPD-Kanzler Gerhard Schröder zum Auftakt des Bundestagswahlkampfs 2002 auf dem Opernplatz in Hannover zum Irak-Krieg formulierte, gehört heute zum außenpolitischen Grundsatzprogramm von Schwarz-Gelb. Keine Abenteuer! In der Libyen-Frage hat Merkels Regierung bewiesen, dass sie aus Schröders populärer Anti-Kriegs-Haltung gelernt hat - und die Verbündeten im Regen stehen gelassen. Vielleicht machen es sich Union und FDP zu leicht, wenn sie nun im Wahlkampf den Schulterschluss mit den USA fürchten. Nehmen wir an, die Beweise, die der US-Regierung für den Giftgasanschlag mit Hunderten Toten vorliegen, sind stichhaltig. Nehmen wir weiter an, dass die - zugegeben - wüste Theorie ausgeschlossen werden kann, dass Assad-kritische Rebellen die Attacke selbst gestartet haben könnten, um ein Eingreifen des Westens zu befördern. Dann, ja, dann muss die Bundesregierung sagen, ob ein Giftgaseinsatz eines autoritären Regimes in der internationalen Gemeinschaft folgenlos bleiben sollte. Und welche Konsequenzen dies für die Bevölkerungen anderer Herrschaftssysteme haben könnte. Natürlich kann ein Syrien-Einsatz ohne UN-Mandat im Wahlkampf einen Stimmungswechsel erzeugen, ähnlich wie 2002. Schon eine logistische oder finanzielle Beteiligung Deutschlands würden SPD, Grüne und Linke ausschlachten. Das weiß die Kanzlerin. Und es stimmt ja: Ein Militäreinsatz darf immer nur Ultima Ratio sein. Wer hätte dies mehr verinnerlicht als wir Deutsche? Dennoch, so zynisch es klingt, könnte ein Nichteingreifen bei einem staatlich organisierten Massenmord den übrigen Diktatoren in der Welt als Vorbild dienen, wie Aufstände "erfolgreich" unterdrückt werden können. Der zivilisierte Westen ist schließlich kriegsmüde. Niemals würde eine unionsgeführte Bundesregierung einen außenpolitischen Alleingang wagen, hatte Merkel 2002 im Streit um den Irak-Krieg den transatlantischen Freunden zugerufen. In Libyen hat sie ihr Wort gebrochen. Das sollte sie nicht wiederholen.

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