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Rheinische Post: Die SPD plant die Zeit nach Beck

Düsseldorf (ots)

Von Sven Gösmann
Das politische Berlin ist in den Ferien. Zurück bleiben die 
"Stallwachen". Wobei Stall eine unpassende Bezeichnung für die 
glitzernden Glaspaläste des Regierungsviertels ist, trutzige 
Festungen so gar nicht geliehen wirkender Macht.
Alles wirkt friedlich. Die jüngsten Meinungsumfragen signalisieren 
große Zufriedenheit der breiten Bevölkerung mit der großen Koalition.
Die Kanzlerin schwebt mit 85 Prozent Zustimmung über allen Wassern; 
ihre Union freut sich über die erstmals seit langem prognostizierten 
40 Prozent. Die Wirtschaft brummt, die Sonne scheint zumindest 
gelegentlich. Also umdrehen auf der Strandliege und weiter dösen? 
Angela Merkel sollte das nicht tun, so sehr wir ihr den Urlaub 
gönnen. Bei ihrem Koalitionspartner brodelt es, Gefahr für das 
Regierungsgeschäft zieht auf. Bis zu einem Koalitionsbruch und einer 
rot-rot-grünen Konstellation unter einem SPD-Kanzler, der nicht Kurt 
Beck heißt, reichen die Szenarien.
Denn die Sozialdemokraten sind verunsichert, wenn nicht 
demoralisiert. Ihr Vormann Beck gilt ihnen wie vielen im Lande als 
Ausfall. Auf jeden Fall scheint er manchen in der SPD der falsche 
Mann zu sein, um der linken Gefahr in Gestalt von Oskar Lafontaine zu
begegnen. Die anderen in der SPD sehen in Beck nicht mehr den 
Richtigen, um der linken Verlockung eines SPD-Kanzlers von 
Lafontaines Gnaden den Weg zu bahnen. Nun werden neue Rechnungen 
aufgemacht, die auch alte Rechnungen begleichen sollen. Die jüngste 
Überlegung lautet: Vizekanzler Franz Müntefering habe vor kurzem mit 
seiner keineswegs unbedachten Interview-Äußerung, der nächste 
SPD-Kanzlerkandidat müsse erst in einem Jahr feststehen, die Jagd auf
Beck freigegeben.
Aufmerksam registrieren die Sozialdemokraten, was seitdem geschah. 
Finanzminister Peer Steinbrück erklärte, der nächste Kanzlerkandidat 
werde Beck heißen. Dabei ahnt jeder in Berlin, dass Steinbrück nur 
einen für kanzlertauglich befindet - sich selbst. "Er will", sagt 
einer, der es wissen könnte.
Umweltminister Gabriel gab sich ebenfalls als Beck-Freund, bevor er 
zur Sommerreise aufbrach. Sie führte ihn von der Zugspitze bis ans 
Meer. Ganz so sehen Terminkalender von Kanzlerkandidaten aus. Die 
Tour brachte Gabriel neue Erkenntnisse, vor allem aber katapultierte 
sie ihn auf viele Zeitungsseiten. Außenminister Frank-Walter 
Steinmeier versucht mit Sacharbeit zu punkten. Doch ist es kein 
Geheimnis mehr, dass enge Berater für ihn ein politisches Thema 
suchen, damit er sich gegenüber der Kanzlerin und gleichzeitig 
gegenüber der eigenen Partei profilieren kann. Das Kalkül: Nur wenn 
sich der Außenminister vom Ruch des Merkel-Zuarbeiters befreit, hat 
er eine Chance auf die Kandidatur.
In der SPD-Linken und auf Seiten der noch sozialdemokratisch 
gesinnten Gewerkschaftsbosse wird derweil nach einem Gegengift für 
Oskar Lafontaine gesucht. Eine schrille Option: mit einer linken Frau
gegen die Kanzlerin in den Wahlkampf zu ziehen. Immerhin wird Andrea 
Nahles in diesem Herbst stellvertretende Parteivorsitzende. Viel 
hänge davon ab, ob SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti mit ihrem 
Linkskurs bei der hessischen Landtagswahl 2008 den 
Vorzeigekonservativen Roland Koch stürzen könne.
Zumal gleichzeitig in SPD-Kreisen fest erwartet wird, dass auch 
CDU-Liebling Christian Wulff in Niedersachsen bei der ebenfalls 2008 
stattfindenden Landtagswahl gegenüber seinem Erdrutschsieg von 2003 
Punkte lassen muss. Das könnte die SPD-Linke dann als strategischen 
Erfolg ihres Wortführers Wolfgang Jüttner, SPD-Spitzenmann in 
Hannover, verbuchen. Auf jeden Fall würde die Möglichkeit eröffnet, 
mit einer nach links geöffneten SPD die Linkspartei als 
Koalitionspartner zu gewinnen.
Noch wirken die Sozialdemokraten unschlüssig. Doch die Kanzlerin darf
das nicht kalt lassen. Die 40-Prozent-Umfrage garantiert ihr keine 
eigene Mehrheit bei der Bundestagswahl. Merkel muss Beck 
stabilisieren helfen, indem sie der SPD (noch mehr) politische 
Zugeständnisse macht. Nur dann kann sie in Ruhe ihre Wiederwahl 
anstreben.
Schließlich ist die Union nicht wirklich gefestigt. Ihrer 
konservativen Vormänner beraubt und auf Von-der-Leyen-Kurs, sonnt sie
sich im außenpolitischen Glanz der Kanzlerin. Das dürfte bei einer 
Wahl allein nicht reichen. Der potenzielle Partner Westerwelle-FDP 
wiederum scheint mit acht, neun Prozent sein Möglichstes erreicht zu 
haben. Die Stallwachen sollten in ihrer Aufmerksamkeit nicht 
nachlassen. Ferienzeit hin, Ferienzeit her.

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