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Weser-Kurier

Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 19. Mai 2011 den zweiten Teil der Bundeswehr-Reform:

Bremen (ots)

Der kühle Vollender

von Joerg Helge Wagner

Warum sollte es Thomas de Maizière besser ergehen als seinem Vorgänger? Als Karl-Theodor zu Guttenberg im April 2010 die bislang größte und tiefstgreifende Reform der Streitkräfte anschob, hatte die Truppe in Afghanistan gerade das verlustreiche Karfreitagsgefecht hinter sich und den verlustreichen Anschlag in Baghlan noch vor sich. Gestern also blutige Unruhen vor einem kleinen Außenposten in Talokan - pünktlich zur Präsentation von Teil 2 der dreiteiligen Bundeswehrreform. Die Begleitumstände machen deutlich, wie akademisch die Wortklaubereien sind, ob der Neue nun wieder eher auf Landesverteidigung setze, wo der Alte alles "vom Einsatz her denken" wollte. Daran ändert auch die Reihenfolge in den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien nichts: Wesentliches Merkmal der Reformbestrebungen müsse die "Befähigung zum Kampf" sein, stellte de Maizière gestern klar. Und er ließ keinen Zweifel, was das für ihn heißt: Selbst wenn die Truppe um bis zu 20 Prozent reduziert wird, soll sie gleichzeitig 40 Prozent mehr Soldaten in Auslandseinsätze schicken können als heute. Auch de Maizière versteht die Verteidigung deutscher Interessen offenbar so, dass diese durchaus "am Hindukusch" stattfinden kann und muss. Folgerichtig sucht er mit seiner Reform keineswegs den Bruch zu den Vorstellungen seines gestrauchelten Vorgängers. Er baut vielmehr auf dessen beachtlicher, wenn auch keineswegs perfekter Arbeit auf. Anders hätte de Maizière niemals elf Wochen nach der Amtsübernahme sein Konzept präsentieren können. Wesentliche Grundlage sind die Erkenntnisse und Vorschläge der sogenannten Weise-Kommission, die noch von Guttenberg eingesetzt worden war. Sie attestierte der Bundeswehr, dass sie zu bürokratisch, zu aufgebläht, zu unbeweglich, zu teuer und zu schlecht ausgerüstet sei. Und de Maizière führt nun genau jene Schnitte aus, die die Kommission auch seinem Vorgänger nahegelegt hatte: Führungsstrukturen werden gestrafft, Beschaffung wird schärfer kontrolliert. Um die eingangs genannten Ziele zu erreichen, verlässt man sich vor allem auf Profis: Die freiwillig Wehrdienstleistenden machen vielleicht noch fünf bis sechs Prozent an der Gesamtstärke aus. Das ist sicherlich der heikelste Punkt, militärisch wie politisch. Zu Jahresbeginn bezifferte Heeresinspekteur Werner Freers den Nachwuchsbedarf allein für seine Teilstreitkraft auf 2000 Soldaten. De Maizière will sich notfalls schon mit 5000 freiwillig Wehrdienstleistenden zufrieden geben - pro Jahr und für die gesamte Bundeswehr, also inklusive Luftwaffe und Marine. Natürlich wird es darüber hinaus etliche Bewerber geben, die von vornherein Berufs- oder Zeitsoldat werden wollen. Doch die Sorge vieler Militärs, ob ohne Wehrpflicht nicht die Auszehrung droht, ist nur schwer zu zerstreuen. Ebenso die politische Furcht, dass eine reine Berufsarmee bald ein Eigenleben führt, das sich von der demokratischen Zivilgesellschaft entfremdet. Dieses latente Misstrauen nimmt links von der Mitte kontinuierlich zu; es ist aber schon bei der SPD sehr ausgeprägt. Deren Verteidigungsexperte Rainer Arnold vermisst die "Kurzzeitdiener" als "strukturbildendes Element" der Truppe. Zumindest in dieser Debatte tritt das Bemühen um Effizienz ganz klar in den Hintergrund. Wer nun partout den großen Unterschied zwischen de Maizière und Guttenberg sucht, wird ihn beim Umgang mit den Finanzen finden. So hat der Neue keine ehrgeizigen Sparziele formuliert, sondern überzeugend auf die strukturelle Unterfinanzierung der Truppe hingewiesen. Politisch klug ist er dann von seinem ursprünglichen Plan abgerückt, die oft unpopulären Auslandseinsätze aus einem Gesamthaushalt zu finanzieren. Das geschieht nun aber mit den Kosten für den Personalabbau, also sozialverträgliche Frühpensionierungen und dergleichen. Dem können sich auch linke Parteien kaum verschließen und mittelfristig wäre das wohl die größere Belastung für den Wehretat geworden. Wenn er mit der gleichen kühlen Cleverness der dritten Teil, die Standort-Reduzierung, angeht, kann de Maizière wirklich eine Jahrhundertreform vollenden. joerg-helge.wagner@weser-kurier.de

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