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Börsen-Zeitung: Krise? Welche Krise? Kommentar zu den Finanzmärkten von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Die Rally am Aktienmarkt hat sich unverdrossen
in der gerade beendeten Börsenwoche fortgesetzt, obwohl immer mehr 
Aktienstrategen warnen, dass die Luft für weitere Kurszuwächse 
inzwischen sehr dünn geworden ist. Nichtsdestotrotz legte die Hausse 
zuletzt noch an Tempo zu: Der Dax kletterte binnen fünf Handelstagen 
um mehr als 7%. Gegenüber seinem Tief von Anfang März machte der 
deutsche Leitindex rund 1000 Punkte gut, so dass zumindest bezogen 
auf den Jahresanfang kaum noch ein Minus übrig bleibt.
Getragen wurde die recht rasante Erholung zuletzt vor allem durch 
unerwartet gute Quartalszahlen von Amerikas Großbanken, die Europas 
Anleger tief beeindruckten und dementsprechend auch die Kurse der 
Finanzwerte diesseits des Atlantiks antrieben. So schoss der 
Stoxx-Branchenindex Banken binnen Wochenfrist um schwindelerregende 
17% nach oben. Der Finanzsektor führt unangefochten die Erholung des 
Marktes an - was ein wenig merkwürdig anmutet, weil sich 
Aktienstrategen noch bis vor kurzem einig waren, dass sich 
Bankentitel noch sehr lange unterdurchschnittlich entwickeln werden.
"Krise? Welche Krise?", könnte man sich also fragen, wenn man 
diese Zahlen betrachtet: Citigroup, bei der unlängst noch spekuliert 
worden war, ob denn die 45 Mrd. Dollar Staatshilfe ausreichen, um das
Überleben zu sichern, verdiente im ersten Quartal satte 1,6 Mrd. 
Dollar. Die ebenfalls unter den staatlichen Rettungsschirm geflohene 
Goldman Sachs strich 1,8Mrd. Dollar ein. Wells Fargo glänzte gar mit 
3 Mrd. Dollar Gewinn. Von den Großbanken unabhängige Analysten 
zeigten sich davon überzeugt, dass dies alles zu schön war, um wahr 
zu sein.
Bei Goldman half es beispielsweise, dass man im Rahmen der 
Umwandlung von einer Investmentbank zu einer Geschäftsbank den 
Bilanzierungszeitraum auf das Kalenderjahr umstellen musste. Dadurch 
fiel der ziemlich schlecht verlaufene Dezember aus dem 
Berichtszeitraum heraus. Wäre er drin gewesen, hätte Goldman nach 
Berechnung von US-Analysten nur 1,24 Dollar je Aktie statt der jetzt 
gezeigten 3,39 Dollar pro Anteilschein verdient. Goldmans Ergebnis 
hängt zudem in einem hohen Maß am sogenannten "Prop Trading", dem 
äußerst risikoreichen Eigenhandel. Der hohe Gewinnausweis lieferte 
die Untermauerung für die geplante Kapitalerhöhung um 5 Mrd. Dollar, 
mit der Goldman Sachs die staatlichen Hilfen zurückzahlen will. 
Angenehmer Nebeneffekt der Rückzahlung ist, dass dadurch die 
Restriktionen für die Gehälter und Boni des Spitzenmanagements 
entfallen.
Bei Wells Fargo vermuten Analysten - die Bank nennt bisher kaum 
Details - kreative Bilanzierungsmethoden, so etwa die Nutzung von 
Rückstellung für notleidende Kredite, die Wells Fargo mit der 
gestrauchelten US-Großbank Wachovia übernommen hatte. Außerdem soll 
Wells Fargo in großzügiger Weise von neuen US-Bilanzierungsregeln 
Gebrauch gemacht haben. Diese geben den Banken erhebliche Freiheiten,
die faulen Aktiva in ihren Bilanzen so zu bewerten, wie es ihnen in 
den Kram passt, und somit von der strengen "Mark-to-Market"-Bewertung
abzuweichen, die die teilweise extrem gesunkenen Marktpreise für 
diese Assets zwingend zugrunde legt.
Und die Citigroup verbesserte ihren Gewinnausweis um sage und 
schreibe 2,5 Mrd. Dollar durch eine 2007 eingeführte 
Bilanzierungsregel. Diese erlaubt es US-Banken, Kursverluste bei den 
von ihnen selbst begebenen Anleihen als nicht realisierte Gewinne 
auszuweisen. Dahinter verbirgt sich die Logik, dass eine Bank ja die 
Anleihen verbilligt zurückkaufen und daraus einen Gewinn ziehen 
könnte. Auch den nach den internationalen 
Rechnungslegungsvorschriften IFRS bilanzierenden europäischen Banken 
steht diese Option übrigens offen.
Der Bankensektor, der sich im Epizentrum der Krise befindet, taugt
hinsichtlich seiner ausgewiesenen Ergebnisse also kaum als Indikator 
dafür, ob die Krise endlich an Dramatik nachlässt. Die überwiegende 
Zahl der Makrodaten zeichnet ein nach wie vor sehr viel düstereres 
Bild, auch wenn vereinzelt Frühindikatoren Anlass zur Hoffnung geben.
Interessant wird es, wenn in Kürze die Berichtssaison auf vollen 
Touren läuft. Zu befürchten sind schwache Quartalszahlen und in der 
Folge ein deutliches Rückschlagpotenzial für die Aktienmärkte.

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