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Börsen-Zeitung: Der Staatsanleihen-Boom, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Der gerade zu Ende gegangene Turnus wird als
eines der schlimmsten Jahre der Finanzmärkte in die Geschichte 
eingehen. Aber es gibt nicht nur Verlierer der Marktverwerfungen, die
von der Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten ausgelöst worden 
sind. Anleger, die ganz oder weitestgehend auf Staatsschuldtitel 
gesetzt haben, werden das Jahr in guter Erinnerung behalten. Denn sie
haben Erträge eingefahren, bei denen selbst Aktienliebhaber von einem
guten Jahrgang sprechen würden. Wer beispielsweise auf zehnjährige 
Bundesanleihen setzte, erzielte einen Gesamtertrag (Kuponverzinsung 
und Kursgewinn) von etwas mehr als 16%. Am ganz langen, d.h. 
30-jährige Ende des US-Staatsanleihemarktes, war sogar ein Ertrag von
über 40% erzielbar. Spektakulär ist dieses Ergebnis auch im Vergleich
zum Aktienmarkt. Bei einer Einbuße des Dax von mehr als 40% ergibt 
sich für die zehnjährigen Bundesanleihen eine sehr hohe 
Outperformance von nahezu 57 Prozentpunkten.
Dieser extreme Wert spiegelt zum einen die völlige Verunsicherung 
der Investoren wider, die sich nach dem Kollaps der US-Investmentbank
Lehman Brothers eingestellt hat. Zum anderen ist er auch Ausdruck der
zunehmenden negativen Auswirkungen der Vertrauenskrise auf die 
Realwirtschaft. Zum Jahreswechsel ist die Weltwirtschaft in den 
freien Fall übergegangen. Die Industrienationen befinden sich in 
einer synchronen Rezession. Aber auch die Schwellenländer, die sich 
eine Zeit lang resistent gezeigt haben, sind nun voll von der Krise 
erfasst worden und fallen als Kompensation für die Schwäche der 
Industrieländer aus. Die Folge des Abschwungs sind steil nach unten 
zeigende Preisindikationen, wobei insbesondere der Absturz des 
Ölpreises auf die Teuerungsraten drückt. Das wiederum schafft 
Spielraum, die Leitzinsen zu senken bzw. im Falle Japans und der USA 
über einen längeren Zeitraum bei nahe Null zu belassen.
Das desolate Bild, das im Moment insbesondere die US-Wirtschaft 
abgibt, ist am Freitag leider einmal mehr bestätigt worden. Der viel 
beachtete Konjunkturindex des Institute for Supply Management hat 
sich nicht wie vom Markt erwartet bei 35,5 Zählern stabilisiert, 
sondern ist von November auf Dezember von 36,2 auf 32,4 Punkte weiter
abgesackt und hat damit das niedrigste Niveau seit 1980 erreicht. 
Auch die Beschäftigungskomponente ist stark abgesackt. Damit ist für 
die neue Woche eine weitere Schreckensmeldung programmiert. Denn es 
zeichnet sich nun deutlich ab, dass auch der am Freitag anstehende 
US-Arbeitsmarktbericht vom Dezember grausam ausfallen wird. Nachdem 
der Bericht vom November mit einem Rückgang der Stellen in der 
US-Volkswirtschaft von über 500000 geschockt hat, befürchten die 
Volkswirte, dass für den Dezember ein weiterer heftiger Schwund von 
rund 500000 Stellen ausgewiesen wird.
Trotz des für Renten günstigen Umfelds können Anleger jedoch nicht
so ohne weiteres davon ausgehen, dass sich der Boom der 
Staatsanleihen noch lange fortsetzt und somit erneut ein sehr 
prächtiger Jahrgang ansteht. Zwar werden sich die 
Konjunkturindikationen nicht so schnell verbessern. Märkte nehmen 
jedoch Wenden in der Realwirtschaft vorweg. Für Staatsanleihen 
besteht daher das Risiko, dass die Marktteilnehmer relativ frühzeitig
beginnen werden, auf die Erholung zu setzen, und wieder in riskantere
Anlagen umschichten. Auf den mittlerweile erreichten sehr hohen 
Kursniveaus, durch die die Kupon-Verzinsung zudem mit 3% bei 
zehnjährigen Bundesanleihen nicht gerade attraktiv wirkt, baut sich 
somit ein erhebliches Rückschlagpotenzial auf.
In diese Richtung deuten auch die umfangreichen Hilfsmaßnahmen, 
die Regierungen und Notenbanken eingeleitet haben, um den an den 
Märkten teilweise bereits eingepreisten Deflationsrisiken 
entgegenzutreten. Längerfristig besteht darüber hinaus Gefahr, dass 
gerade die Flutung des Systems mit Liquidität und die zur Ankurbelung
der Konjunktur hochgefahrenen Staatsausgaben sogar wieder erhebliche 
Inflationsrisiken aufbauen. Das würde für Staatsanleihen sogar ein 
sehr abträgliches Umfeld bedeuten.
(Börsen-Zeitung, 3.1.2009)

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