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DUH warnt Automobilindustrie vor Festhalten an "brandgefährlichem" chemischen PKW-Kältemittel

Berlin (ots)

Bisheriges klimaschädliches Kältemittel R 134a seit Jahresbeginn für neue Fahrzeugtypen verboten - Von der Autoindustrie favorisierte Chemikalie 1234yf birgt bei Unfällen akute Lebensgefahr für Insassen und Retter - US-Umweltbehörde EPA bemängelt fehlende Sicherheitsstandards und verweigert bislang Zulassung - DUH-Bundes¬geschäftsführer Resch fordert Einhaltung der Zusage der deutschen Automobilindustrie durch VDA-Präsident Wissmann aus 2007, zukünftig das natürliche Kältemittel CO2 zu verwenden

Seit Januar 2011 ist für neue PKW-Fahrzeugtypen das heute gängige Kältemittel R134a in Klimaanlagen verboten. Der teilfluorierte Kohlenwasserstoff (chemisch: Tetrafluorethan) ist etwa 1430-mal klimaschädlicher als CO2. Er übersteigt damit bei weitem die seit Januar geltenden EU-Grenzwerte. Weltweit sind ca. 600 Millionen Fahrzeuge klimatisiert, in Deutschland werden inzwischen weit über 90 Prozent aller Neufahrzeuge mit Klimaanlagen ausgestattet, die wegen ineffizienter Technik und den Einsatz extrem klimawirksamer Kältemittel den Klimawandel anheizen. Die zu Jahresbeginn in Kraft getretenen EU-Vorgaben zur Entschärfung des Dilemmas sind seit Mitte des letzten Jahrzehnts bekannt, ohne dass die Automobilindustrie auch nur einen Neuwagen benannt hat, der zukünftig nicht mehr mit der verbotenen klimaschädlichen Chemikalie R134a befüllt ist. Darauf wies die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in Berlin hin.

"Um wenige Euro pro Neuwagen zu sparen wird die Deutsche Automobilindustrie einmal mehr wortbrüchig. Im Herbst 2007 gab Präsident Matthias Wissmann sein Wort, dass die Deutsche Automobilindustrie zukünftig das natürliche Kältemittel CO2 einsetzen werde. Dieses gegebene Wort hat Wissmann gebrochen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch "Wir warnen die Automobilindustrie eindringlich an der Hochrisiko-Chemikalie 1234yf festzuhalten. Es ist unverantwortlich, in Millionen Pkw ein Kältemittel einzusetzen, das im Brandfall die lebensgefährliche Chemikalie Fluorwasserstoff bzw. Flußsäure in hoher Konzentration entwickelt".

Tetrafluorpropen (Handelsname HFO-1234yf) soll nach den Plänen der Hersteller der Ersatzstoff für R134a werden. Er ist jedoch leicht entflammbar und setzt bereits Fluorwasserstoff frei, bevor es zu brennen beginnt. Bei simulierten Unfällen wurde mehrfach nachgewiesen, dass 1234yf in Kontakt mit heißen Gegenständen im Motorraum und in Verbindung mit Wasser ätzende Flusssäure (chemisch: Fluorwasserstoff, HF) bildet. Die Gefährlichkeit des Kältemittels wurde sowohl vom UBA als auch von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) bestätigt. "Brennt 1234yf, bestehen sowohl für die Insassen als auch für die Rettungskräfte ohne spezielle Schutzausrüstung akute Lebensgefahr", betonte Eva Lauer, die Projektleiterin Fahrzeugkühlung der DUH. Brandversuche der Deutschen Umwelthilfe (siehe Video unter http://www.duh.de/klimaanlage_film.html) sowie der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) haben gezeigt, wie die freigesetzte Flusssäure Windschutzscheiben in Sekunden verätzt. Nachdem sich das Umweltbundesamt (UBA) in einem kürzlich veröffentlichten Hintergrundpapier erneut klar für natürliche und gegen das hochgefährliche chemische Kältemittel ausgesprochen hat, will die deutsche Automobilindustrie nun nach Informationen der DUH mit einer Propagandaoffensive für die Chemikalie 1234yf der US-Konzerne Honeywell und DuPont gegensteuern.

Auch in der Autoindustrie nahestehenden Publikationen wird das Festhalten der Hersteller an dem gefährlichen Irrweg zunehmend kritisch bewertet, wie etwa in der aktuellen Ausgabe des Automagazins "auto, motor und sport" nachzulesen ist.

Dass die Sicherheitsbedenken nicht unbegründet sind, zeigt nach Überzeugung der DUH auch die noch andauernde Prüfung von 1234yf durch die zuständige Zulassungsbehörde in den USA: Die Umweltbehörde EPA verweigert bisher eine offizielle Zulassung der Chemikalie in Autoklimaanlagen - die abschließende Bewertung wurde bereits mehrfach verschoben. Zeitgleich üben die amerikanischen Automobilhersteller unter Verweis auf Entwicklungskosten und bisherige Investitionen in die 1234yf-Klimatechnik massiven Druck auf die EPA aus.

Bis heute verweigern deutsche Hersteller jegliche Aussagen, in welchen zukünftigen Fahrzeugmodellen sie das neue Kältemittel einsetzen werden. Faktisch führt dieser Eiertanz zu einer vermutlich mehrjährigen Verlängerung der Verwendung des bisherigen klimaschädlichen Kältemittels 134a und damit jedes Jahr zu einer zusätzlichen Klimagasbelastung von mehreren Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten.

Anlässlich der "grünen" IAA im Herbst 2007 hatte der damals frisch ins Amt gerufene Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, öffentlich verbindlich zugesagt, dass die deutsche Automobilindustrie ausschließlich auf das natürliche und ungefährliche Kältemittel CO2 setzen würden und alle Arbeiten an 'chemischen Alternativen' einstellen werden. Das Gegenteil haben die Autobauer getan: Es wurden in Wirklichkeit alle Entwicklungsarbeiten an natürlichen Kältemitteln eingestellt, Forschungs- und Vorserienaufträge wurden beendet. Als die DUH dies 2009 enthüllte, bestritt der VDA diese heute bestätigten Fakten und versprach wider besseren Wissens, seine Zusage einzuhalten. "Herr Wissmann und die deutsche Automobilindustrie haben Politik und Öffentlichkeit vorsätzlich getäuscht und belogen. Es darf nicht sein, dass die europäischen Autohalter zu Testpersonen für den synthetischen Cocktail 1234yf der Chemiemultis Honeywell und DuPont werden", so Resch.

Hintergrund

Das Kältemittel R134a zählt zu den im Kyoto-Protokoll aufgeführten Treibhausgasen, die reduziert werden müssen. Das Europäische Parlament hat einen Ausstiegsplan festgelegt. Wörtlich heißt es darin: "Nach dem 01. Januar 2011 dürfen keine neuen EG-Typgenehmi¬gungen für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge erteilt werden, wenn die im Fahrzeug enthaltene Klimaanlage darauf ausgelegt ist, fluorierte Treibhausgase mit einem GWP-Wert über 150 zu enthalten." Ab Januar 2017 gilt die Regelung für alle Neufahrzeuge. Um den Umstieg auf umweltschonende Klimatechnik zu forcieren, hat die DUH im September 2010 zusammen mit dem Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) die Kampagne "PRO KLIMA: Effiziente Autoklimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln" gestartet. Die im Rahmen des EU-Programms LIFE+ geförderte Kampagne zielt darauf ab, die Bevölkerung für die Umweltauswirkungen von Autoklimaanlagen zu sensibilisieren und das Thema in der Öffentlichkeit zu diskutieren.

Pressekontakt:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Mobil: 0171 3649170, resch@duh.de

Eva Lauer, Projektleiterin Fahrzeugkühlung, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Tel.: 030 2400867 -76, lauer@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: 030 24008670, Mobil: 0171 5660577,
rosenkranz@duh.de

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell

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