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Deutsche Umwelthilfe e.V.

Druckchemikalien in Kartonsäften: Seehofer schützte Getränkeindustrie vor Verbrauchern

Berlin (ots)

Nach drei Jahren und fünf Gerichtsurteilen gibt
CSU-geführtes Verbraucherschutzministerium endlich ungeschwärzte 
Untersuchungsergebnisse über die Kontamination von Lebensmitteln mit 
der Druckchemikalie ITX an Deutsche Umwelthilfe - Milchgetränke und 
Fruchtsäfte waren bis zum 12-fachen des Unbedenklichkeitswertes 
belastet - Verbraucherinformationsgesetz rechtswidrig zur 
Informationsblockade eingesetzt - mit Druckchemikalien kontaminierte 
Kartongetränke wurden zum Schutz der Industrie systematisch durch die
Kehlen der Verbraucher entsorgt - Kartonhersteller Tetra Pak und 
Elopak verweigern Auskunft über aktuell verwendete Druckchemikalien
Mehr als drei Jahre verweigerten der frühere 
Verbraucherschutzminister Horst Seehofer und zuletzt auch seine 
Amtsnachfolgerin Ilse Aigner (beide CSU) verbissen die Einsicht in 
bzw. die Herausgabe von Akten über die 2006 von der Deutschen 
Umwelthilfe e.V. (DUH) aufgedeckte Kontamination von 
Getränkekartonsäften mit der Druckchemikalie Isopropylthioxanthon 
(ITX). Die DUH hatte die Herausgabe zunächst auf Basis des 
Informationsfreiheitsgesetzes, später auf Basis des 2007 
verabschiedeten und am 1. Mai 2008 in Kraft getretenen 
Ver¬brau¬cherinformationsgesetzes (VIG) gefordert. Seehofer hatte das
VIG bei der Verabschiedung als "Durchbruch zu mehr Information und 
Markttransparenz" gefeiert.
Trotz einer Serie von fünf Gerichtsurteilen, bis hin zur 
höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, die 
allesamt die Rechtswidrigkeit der Auskunftsverweigerung durch die 
Bundesregierung feststellten, schützte das Ministerium mit seiner 
Informationsblockade die für den Lebensmittelskandal verantwortliche 
Industrie - zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher - und 
führte damit nebenbei das neue Verbraucherinformationsgesetz (VIG) ad
absurdum. Das Gesetz sollte es Verbraucherinnen und Verbrauchern 
erstmals ermöglichen, einen bundesweit einheitlichen und besseren 
Zugang zu verbraucherrelevanten Behördeninformationen zu erhalten. 
Den Behörden vorliegende Informationen müssen danach innerhalb von 
vier, in Sonderfällen innerhalb von acht Wochen zur Verfügung 
gestellt werden. Bei der ITX-Kontamination dauerte es knapp vier 
Jahre oder 190 Wochen, bis das Ministerium ungeschwärzte 
Untersuchungsergebnisse offen legte.
"Die gerichtlich angeordnete Offenlegung der Akten zum ITX-Skandal
zeigen eine erschreckende Kumpanei des CSU-geführten 
Verbraucherschutzministeriums mit der Industrie. Der heutige 
bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat als 
Verbraucherschutzminister systematisch eigenes Recht gebrochen und 
den Bürgern zustehende Informationen über kontaminierte 
Kartongetränke verweigert", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen 
Resch.  Die nun vorliegenden Analysedaten aus den Jahren 2005 und 
2006 seien jedoch für die Beurteilung der Lebensmittelqualität 
nutzlos, da die entsprechenden Getränke eine Haltbarkeit von drei bis
zwölf Monaten hatten. Seehofer habe ganze Arbeit geleistet und das 
Verbraucherinformationsgesetz dazu missbraucht, die betroffene 
Wirtschaft vor den Verbrauchern zu schützen.
Der Berliner Anwalt Remo Klinger, der die DUH in den langwierigen 
Verfahren vertreten hatte, stellte nach der jahrelangen 
Auseinandersetzung fest: "Das Ministerium wird lernen müssen, dass 
die heute existierenden Informationsrechte genuine Bürgerrechte sind.
Wenn sich selbst das Verbraucherschutzministerium über das 
Verbraucherinformationsgesetz hinweg setzen wollte, ist dies ein 
verheerendes Signal für den Verbraucherschutz in Deutschland."
Knapp vier Jahre nachdem die ersten ITX-Belastungen von 
Kartonlebensmittel bekannt wurden und nach mehr als drei Jahren 
juristischer Auseinandersetzungen mit dem CSU-geführten Ministerium 
hat die DUH nun erstmalig Einsicht in ungeschwärzte Informationen zur
Belastung von Getränkekartonprodukten mit der Druckchemikalie ITX 
erhalten. Die Unterlagen belegen, was zu befürchten war: Den 
Verantwortlichen lagen bereits seit November 2005 Informationen über 
die Chemikalienbelastungen von Getränkekartonprodukten vor. Danach 
reichte die wissenschaftliche Datenlage damals keineswegs für 
Unbedenklichkeitserklärungen, hinsichtlich möglicher gesundheitlicher
Folgen von ITX beim Menschen. Nach Einschätzung des Bundesinstituts 
für Risikobewertung (BfR) konnte von einer Unbedenklichkeit lediglich
bei Belastungen von weniger als 50 Mikrogramm je Kilogramm 
ausgegangen werden. In von der DUH veranlassten Analysen wurden 
jedoch Werte in Lebensmitteln gemessen, die mit bis zu 405 Mikrogramm
je Kilogramm den "Unbedenklichkeitswert" um ein Vielfaches 
überschritten, die staatlichen Untersuchungsstellen stellten mit 600 
Mikrogramm sogar eine bis zu 12-fache Überschreitung des 
Unbedenklichkeitswertes fest.
Während diese Sachlage, etwa in Italien dazu führte, dass 
ITX-belastete Getränkekartons zum Schutz der Verbraucherinnen und 
Verbraucher binnen Stunden flächendeckend aus den Regalen genommen 
und vernichtet wurden, einigte sich das Seehofer-Ministerium in 
nichtöffentlicher Abstimmung mit der verantwortlichen Wirtschaft 
darauf, den Chemiecocktail durch die Kehlen der Verbraucher zu 
entsorgen. Erst nachdem die DUH in eigenen Untersuchungen ab Januar 
2006 hohe ITX-Werte feststellte, gab das Ministerium zu, schon seit 
Monaten von den Belastungen zu wissen.
"Das Verbraucherschutzministerium verdient seinen Namen nicht, 
wenn es den Interessen der Industrie mehr Gewicht beimisst als seinen
eigentlichen Schutzbefohlenen. Faktisch verständigten sich Industrie 
und Politik darauf, mit der Gesundheit der Verbraucherinnen und 
Verbraucher Roulette zu spielen", so Resch.
Die von der DUH im Jahr 2006 festgestellten ITX-Belastungen waren 
Ergebnis des Druckverfahrens für Getränkekartons insbesondere der 
beiden Hersteller Tetra Pak und Elopak, bei dem es zu direktem 
Kontakt zwischen der Innenoberfläche und der bedruckten Außenseite 
der Getränkekartons kommt. Die Verpackungsindustrie zog ITX 
schließlich und teilweise mit mehrjähriger Verspätung aus dem Verkehr
und verwendet seitdem andere Chemikalien zum Bedrucken der 
Getränkekartons. Dabei handelt es sich jedoch erneut um Chemikalien, 
für die keine ausreichenden toxikologischen Daten vorliegen und die 
für den Kontakt mit Lebensmitteln nicht geeignet sind. Ausweislich 
interner Akten des Verbraucherschutzministeriums wird auch dort die 
Rechtskonformität einer solchen Praxis bezweifelt. Auf mehrfache 
Nachfragen der DUH bei Tetra Pak und Elopak verweigerten diese 
Unternehmen eine Auskunft über die derzeit zum Einsatz kommenden 
ITX-Ersatzchemikalien.
"Da die Industrie ihre Druck- und Produktionsverfahren von 
Getränkekartons nicht grundlegend verändert hat, kann der Abrieb von 
Chemikalien aus den Druckfarben bzw. der Übergang durch den Karton 
selbst bis zum heutigen Tag nicht ausgeschlossen werden", warnte 
Maria Elander, die Leiterin der Kreislaufwirtschaft bei der DUH. Nach
Auskunft des Verbraucherschutzministeriums wird offensichtlich eine 
Vielzahl neuer so genannter Photoinitiatoren aktuell als 
Druckchemikalien in der Verpackungsindustrie eingesetzt. Über deren 
Gesundheitsrelevanz gibt es jedoch nur in Ausnahmefällen Kenntnisse. 
So hat sich das dem Aigner-Ministerium unterstellte Bundesinstitut 
für Risikobewertung ungewöhnlich deutlich gegen diese Ersatzstoffe 
ausgesprochen. Zitat aus einer Stellungnahme des BfR vom 2. April 
2008: "Den Ersatz von ITX durch andere Photoinitiatoren, für die 
derzeit keine oder keine ausreichenden toxikologischen Daten zur 
Verfügung stehen, hält das BfR für nicht sachgerecht".
Es sei "geradezu zynisch, wenn Mitarbeiter des 
Verbraucherschutzministeriums den Einsatz von toxikologisch nicht 
bewerteten Alternativen zu ITX in der Praxis stillschweigend dulden",
kritisierte Resch. Zum Schutz der Gesundheit aller Verbraucherinnen 
und Verbraucher müsse sichergestellt werden, dass nur noch der 
Einsatz von chemischen Substanzen zulässig ist, die eindeutig und in 
Langzeituntersuchungen bestätigt als unbedenklich eingestuft werden.

Pressekontakt:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel: 0171 3649170, Fax: 030
2400867-19, resch@duh.de

Dr. Remo Klinger, Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger,
Schaperstraße 15, 10719 Berlin, Tel. 030 88472-80, 0171 2435458,
klinger@geulen.com

Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, 0171 5660577,
rosenkranz@duh.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, 0160
5337376, elander@duh.de

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