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Deutsche Umwelthilfe e.V.

Druckchemikalie ITX in Kartonsäften: Ministerin Aigner schützt Industrie statt Verbraucher

Berlin (ots)

Trotz gegenteiliger Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts verweigert das Verbraucherschutzministerium
drei Jahre nach dem Skandal um die Verunreinigung von Säften und 
Milchprodukten mit der Druckchemikalie ITX weiter die Akteneinsicht -
Nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe traten höhere 
Belastungen auf als bisher zugegeben - Umweltorganisation fordert 
Freigabe der dem Aigner-Ministerium vorliegenden Messergebnisse - 
Betroffene Wirtschaftsunternehmen versuchen die Offenlegung der 
ITX-Belastung einzelner Produkte vor Gericht zu verhindern
Fast drei Jahre lang hat Verbraucherschutzminister Horst Seehofer 
(CSU) der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) die Einsicht in 
ungeschwärzte Akten über die Kontamination von Kartonsäften mit der 
Druckchemikalie Isopropyhthioxanton (ITX) verweigert. Seit ihrer 
Amtsübernahme setzt Seehofers Parteifreundin Ilse Aigner die 
Informationsblockade fort. Selbst nachdem inzwischen drei 
Gerichtsinstanzen - das Verwaltungsgericht Köln, das 
Oberverwaltungsgericht NRW und zuletzt im Herbst 2008 auch das 
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az.: BVerwG 20 F 2.08) - diese 
Praxis als rechtswidrig einstuften und das Bundesministerium für 
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) aufforderten,
die Akten dem Gericht ungeschwärzt zur Prüfung zu überlassen, stellte
sich das Ministerium stur, bis heute.
"Das Verbraucherschutzministerium verdient seinen Namen nicht, es 
vertritt einseitig und rechtswidrig die Interessen der Industrie und 
nicht die der Verbraucher. Erst Horst Seehofer und jetzt Ilse Aigner 
verweigerten und verweigern die Bekanntgabe der konkreten 
Belastungswerte von Kartonsäften mit einer gesundheitlich 
problematischen Chemikalie. Sie missachten das 
Verbraucherinformationsgesetz, das in der Amtszeit und unter der 
Zuständigkeit des heutigen bayerischen Ministerpräsidenten 
verabschiedet wurde. Die DUH ist erneut gezwungen, vor Gericht zu 
ziehen - diesmal um das Aigner-Ministerium zur Einhaltung ihres 
eigenen Gesetzes zu zwingen. Dies ist ein einzigartiger Vorgang", 
sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Hintergrund der Auseinandersetzung ist der bis heute nicht 
aufgeklärte Skandal um die Belastung von in Kartonverpackungen 
abgefüllten Frucht- und Gemüsesäften mit der gesundheitsgefährdenden 
Druckchemikalie ITX, den die DUH mit von ihr veranlassten 
stichprobenartigen Laboruntersuchungen Anfang 2006 öffentlich machte.
Handel, Industrie und das Seehofer-Ministerium verständigten sich 
damals darauf, mit ITX belastete Säfte nicht aus dem Verkehr zu 
ziehen und sie stattdessen  - mit behördlichem Segen - über die 
Verbraucherkehlen zu entsorgen. Daraufhin ließ die DUH über zwei 
Monate hinweg jede Woche fünf bis zehn Kartonsäfte untersuchen und 
veröffentlichte die zum Teil erschreckend hohen ITX-Konzentrationen 
insbesondere bei Obst- und Gemüsesäften. Die betroffenen 
Handelsunternehmen nahmen die Säfte jeweils binnen Tagen oder sogar 
nur Stunden nach der Veröffentlichung aus den Verkaufsregalen.
Gleichzeitig verzichtete das BMELV schon damals konsequent darauf,
die Öffentlichkeit über die wahren Belastungen zu informieren. 
Begründet wurde dies mit dem absurden Argument, eine 
Chemikalienbelastung von Getränken stelle ein schützenswertes 
Betriebsgeheimnis der Hersteller dar. Nach Informationen der DUH 
könnte das wahre Motiv für die bis heute anhaltende Dauerblockade 
darin liegen, dass die dem Ministerium bekannten 
Produktverunreinigungen teilweise noch deutlich höher lagen als die 
von der DUH in ihren Stichproben festgestellten Werte. Hierzu liegen 
der DUH Messprotokolle und Tabellen aus dem Aigner-Ministerium mit 
zum Teil extrem hohen ITX-Konzentrationen vor, bei denen allerdings 
die Produktbezeichnungen geschwärzt wurden (Beispiele können unter 
www.duh.de eingesehen werden). Trotzdem hatte es das Ministerium 
damals bei einem Handelsstopp lediglich für Milchprodukte belassen, 
die in entsprechenden Getränkekartons abgefüllt waren.
Vor wenigen Wochen informierte das Ministerium sogar große und 
seinerzeit betroffene Lebensmittelketten, wie die REWE-Zentral AG und
die Penny Markt GmbH, über den Stand der gerichtlichen 
Auseinandersetzung. Die Unternehmen beantragten daraufhin Anfang 
Februar eine einstweilige Anordnung, mit der sie gerichtlich 
verhindern lassen wollten, dass die Akten herausgegeben werden. Der 
Antrag der beiden Handelsketten wurde vom Verwaltungsgericht Köln 
inzwischen abgewiesen. Mit Eilantrag versuchen die Handelsunternehmen
nun über das Oberverwaltungsgericht NRW die Herausgabe der Akten doch
noch zu verhindern. "Wir sehen sehr deutlich, dass Teile der 
Wirtschaft alle Hebel in Bewegung setzen, um den Zugang zu 
gesundheitsrelevanten Verbraucherinformationen zu verhindern. Es ist 
zutiefst bedauerlich, dass gerade das Verbraucherschutzministerium 
sich in dieser Auseinandersetzung zum willfährigen Gehilfen der 
Wirtschaft macht", kritisierte Resch.
In einem Schreiben an drei Hersteller von 
Getränkekartonverpackungen verlangt die DUH Aufklärung darüber, 
welche Konsequenzen für das Druckverfahren seinerzeit gezogen wurden,
sowie ob und gegebenenfalls welche Chemikalien zur Beschleunigung der
Trocknung der Druckfarben heute eingesetzt werden. "Das 
Aigner-Ministerium wird lernen müssen, dass die heute existierenden 
Informationsfreiheitsrechte genuine Bürgerrechte sind. Es ist 
beschämend, dass es dazu erst jahrelanger Gerichtsverfahren bedarf", 
erklärte Rechtsanwalt Remo Klinger, Prozessvertreter der DUH und 
Rechtsanwalt in der Berliner Kanzlei Geulen & Klinger.
Die von der DUH im Jahr 2006 festgestellten ITX-Belastungen kamen 
produktionsbedingt durch den Kontakt zwischen dem Innenmaterial mit 
der bedruckten Außenfolie der Getränkekartons und anschließend durch 
den Abrieb zwischen Produkt und Verpackungsmaterial zu Stande. Es ist
unklar, inwieweit Hersteller von Getränkeverpackungen inzwischen 
vollständig auf die Verwendung von ITX verzichten, welche 
Ersatzchemikalien sie gegebenenfalls nutzen und welche 
Gesundheitsrisiken mit den neuen Druckfarben und so genannten 
Photoinitiatoren verbunden sind.
"Da sich die Druck- und Produktionsverfahren der Getränkekartons 
nicht grundlegend verändert haben, kann der Abrieb von Chemikalien 
aus den Druckfarben entsprechend bis zum heutigen Tag nicht 
ausgeschlossen werden. Das Bundesministerium muss deshalb nicht nur 
alle vorliegenden Informationen hinsichtlich der ITX-Belastungen 
offen legen, sondern sich auch zu Ersatzchemikalien und deren Einsatz
in der Getränkekartonproduktion äußern", verlangte Maria Elander, die
Leiterin Kreislaufwirtschaft bei der DUH. "Die beharrliche Ablehnung 
des Verbraucherministeriums, die uns rechtlich zustehenden 
Informationen zu übermitteln, ist nicht nachvollziehbar und weckt 
eher den Verdacht, dass das Ministerium tatsächlich etwas zu 
verbergen hat".

Pressekontakt:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V. ,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170, Fax: 030 2400
867-19, E-Mail: resch@duh.de

Dr. Remo Klinger, Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger, Schaperstr.
15, 10719 Berlin Tel.: 030 884728-0oder 0171-2435458 Fax: 030
884728-10, E-Mail: klinger@geulen.com

Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 01715660577, Tel.:
0302400867-21, Fax: 0302400867-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, Fax:
030 2400867-19, Mobil: 0160 5337376, E-Mail: elander@duh.de

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