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Der DUH-Artenschutz-Fall des Tages (Teil 3): Niedersachsens Umweltminister geht mit Kettensäge auf FFH-Naturschutz-Gebiet los

Berlin (ots)

Teil 3 der DUH-Serie zum Stand des Naturschutzes in
Deutschland anlässlich der UN-Biodiversitätskonferenz: Der 
niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) legt mit 
der Kettensäge höchstpersönlich Hand an an ein Naturschutzgebiet in 
der Elbtal-Aue - Eine Beschwerde der DUH bei der EU-Kommission 
verhindert die weitere Zerstörung des Auwaldes - Die EU-Kommission 
leitet daraufhin Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein 
und wirft Sander Verstoß gegen die "Verpflichtung zur loyalen 
Zusammenarbeit" vor - DUH fordert zur UN-Konferenz die  Bundesländer 
zur Einhaltung internationaler Schutzgebietskriterien auf.
Berlin, 22. Mai 2008:  In Waldarbeiterkluft, mit ordentlichem 
Overall, Helm und Ohrenschutz schritt der niedersächsische  
Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) zur Tat. Bewaffnet mit 
einer Kettensäge streckte er in der besonders geschützten C-Zone des 
Biosphärenreservats "Niedersächsische Elbtalaue" am 29. November 2006
eine ufernahe Weide nieder.  Sander vollstreckte mit der 
Kettensägenaktion eigenhändig einen von ihm selbst ergangenen Erlass,
der die Abholzung der Weichholzauen auf einer Strecke von insgesamt 
25 Kilometer Uferlinie entlang der Elbe im Biosphärenreservat 
ermöglichte. Nach seiner Auffassung diene die Brachial-Entwaldung der
Uferzone dem Hochwasserschutz, da das Wasser ohne die 
Barrierenwirkung biegsamer Weiden zwischen den Deichen schneller 
abfließen könne. Diese Meinung des niedersächsischen Umweltministers 
ist jedoch fachlich umstritten: Allgemein gilt, dass Auwälder einen 
guten Schutz gegen Hochwasser bilden, da sie das Wasser der über die 
Ufer tretenden Flüsse binden und den Abfluss über einen längeren 
Zeitraum strecken. Uferbegleitende Auwaldstreifen schützen zudem die 
Hochwasserdeiche. Sie haben somit  in Europa eine ähnliche 
Schutzfunktion gegen Hochwasser wie Mangrovenwälder an den Küsten 
asiatischer Länder.
In Europa zählen Auenwälder zu den "Hotspots" der Artenvielfalt. 
Die an eine verkleinerte Ausgabe der Regenwälder erinnernden Hart- 
und Weichholzauwälder sind Lebensraum für ca. 10.000 Tier- und 
Pflanzenarten. Heute gilt dieser Lebensraumtyp in Deutschland als vom
Aussterben bedroht. Nur noch ein verschwindend kleiner Teil hat 
überlebt. "Vordringliche Aufgabe muss es daher sein, die Restbestände
nachhaltig zu sichern und neue Auwälder wieder entlang unserer Flüsse
zu pflanzen", mahnt Dr. Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz der 
Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH).
"Das niedersächsische Naturschutzrecht verpflichtet die 
Landesbehörden dazu, sicher zu stellen, dass die vom Landtag 
beschlossenen Schutzvorschriften für den Naturhaushalt eingehalten 
werden. Dass der qua Amt oberste Naturschützer eines Bundeslandes 
eigenhändig zur Kettensäge greift, um gegen Recht und Gesetz die 
Natur zu zerstören, ist ein beispielloser Vorgang in der Geschichte 
der Bundesrepublik", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake.  
Die DUH hat unmittelbar nach den rechtswidrigen Eingriffen Beschwerde
bei der EU-Kommission eingelegt, woraufhin Brüssel Ende März 2007 ein
Vertragsverletzungsverfahren (nach Artikel 226 EG-Vertrag) gegen die 
Bundesrepublik Deutschland einleitete. Fast ein Jahr schwebte das 
Verfahren, in dem Sander noch dazu wegen nachweislich falscher 
Auskünfte ein Verstoß gegen die "Verpflichtung zur loyalen 
Zusammenarbeit" mit der EU-Kommission vorgeworfen wurde, über 
Deutschland. Es wurde von der EU-Kommission erst im Januar 2008 
eingestellt, nachdem das Land Niedersachsen nach zweimaliger 
Aufforderung rechtsverbindlich zugesichert hatte, sich in Zukunft an 
EU-Naturschutzrecht halten zu wollen.
"Solche eigenmächtigen Aktionen von Landesministern schaden der 
Autorität Deutschlands bei internationalen Verhandlungen über Natur- 
und Artenschutz wie jetzt auf der UN-Konferenz in Bonn", sagt Baake. 
"Deutschland will und muss als Gastgeber der 
UN-Biodiversitätskonferenz einen Erfolg für den Schutz der 
biologischen Vielfalt weltweit erreichen. Nur mit einem starken 
Mandat können die Detailverhandlungen in den nächsten zwei Jahren zu 
einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Daran wird Deutschland
gemessen werden und zu dieser nationalen Aufgabe sollten alle 
politisch Verantwortlichen in diesem Land beitragen."
Niedersachsens Umweltminister Sander hatte sich zu dem Kahlschlag 
im Auwald selbst ermächtigt. Nachdem eine entsprechende Aufforderung 
der ihm unterstellten unteren Wasserbehörde im Landkreis 
Lüchow-Dannenberg an rund 300 Eigentümer, elbnahe Grundstücke von so 
genanntem Auengehölz zu befreien, praktisch ohne Resonanz geblieben 
war, griff er selbst zur Kettensäge. Laut einem entsprechenden Erlass
des Umweltministeriums sollten auf insgesamt etwa 25 Kilometer 
Elbufer in der besonders geschützten C-Zone die Weichholzauen 
weitgehend verschwinden. Es handele sich um eine 
"Hochwasserschutzmaßnahme". Das Gesetz über das Biosphärenreservat 
"Niedersächsische Elbtalaue" verbietet in der C - Zone  jedoch 
ausdrücklich alle Handlungen, die den Gebietsteil oder auch nur 
einzelne Bestandteile zerstören. Es gab auch weder Freistellungen 
oder Ausnahme-Tatbestände, noch hätte es sie geben können, wenn der 
Minister sie zuvor beantragt hätte. Denn die pauschale Aussage, dass 
von Weiden und Pappeln im Überflutungsraum eine erhöhte 
Hochwassergefahr ausgehe, war von Wissenschaftlern des Instituts für 
Wasser- und Gewässerentwicklung der Universität Karlsruhe auf 
Veranlassung der DUH bereits im Frühjahr 2005 überprüft und für 
"nicht haltbar" erklärt worden.
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Die DUH-Serie zum Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland
In Bonn präsentieren sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und 
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf der UN-Artenschutzkonferenz 
als Kämpfer für die weltweite Biodiversität. Die Deutsche Umwelthilfe
begrüßt ausdrücklich das Engagement der Bundesregierung für den 
weltweiten Arten- und Naturschutz, ist aber besorgt über die 
mangelnde Umsetzung von Zielen zum Schutz der Biodiversität in 
Deutschland. Bislang schaffen Bund und Länder es nicht, dem Natur- 
und Artenschutz innerhalb Deutschlands zu seinem Recht zu verhelfen. 
So liegt Deutschland innerhalb der Europäischen Union im letzten 
Drittel bei der Ausweisung von Schutzgebieten nach der 
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH), die einen Mindeststandard für 
den Schutz bedrohter Tiere und Pflanzen bildet. Deutschland hat aber 
nicht nur extrem wenig Gebiete unter den FFH-Schutz gestellt, der 
Zustand der Gebiete "befindet sich in einem ungünstigen 
Erhaltungszustand", wie das Bundesamt für Naturschutz im Januar 2008 
festgestellt hat.
Für die Ausweisung und Pflege der FFH-Gebiete sind ebenso wie für 
den Naturschutz die Bundesländer zuständig. Dort hat die 
Biodiversität oftmals keinen hohen Stellenwert: Niedersachsens 
FDP-Umweltminister Sander greift im Biosphärenreservat Elbe 
eigenhändig zur Kettensäge, Baden-Württemberg genehmigt die Tötung 
der international geschützten Kormoranbrut am Bodensee, Bayern 
schießt den einzigen Braunbären im deutschen Alpenraum ab.
Die DUH unterstützt nachdrücklich die nationale 
Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung. Dieses im  
Bundeskabinett verabschiedete Programm für die biologische Vielfalt 
in Deutschland ist jedoch nichts wert, solange die Strategie nicht 
praktisch umgesetzt wird. Die DUH ist in großer Sorge um heimische 
Tiere, Pflanzen und ihre Lebensräume. Um der auch hierzulande 
bedrohten Natur eine Stimme zu geben, veröffentlicht die DUH während 
der UN-Biodiversitätskonferenz regelmäßig einen Artenschutz-Fall des 
Tages aus Deutschland. Quer durch die Republik haben wir zwischen 
Nordsee und Alpen, Müritz und Bodensee Beispiele für die Zerstörung 
unserer Natur zusammengetragen.
Bisher erschienen: Sachsen-Anhalt schrumpft das Biosphärenreservat
Flusslandschaft Elbe; Baden-Württemberg genehmigt rechtswidrig Tötung
von geschützten Kormoranen im Naturschutzgebiet.

Pressekontakt:

Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 24 00 867-15, Mobil: 0151
55 01 69 43, baake@duh.de

Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Mobil: 0160 8950556, neuschulz@duh.de

Ulrike Fokken , Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 24 00 867-22, Mobil:0151
55 01 70 09, fokken@duh.de

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