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Schwäbische Zeitung: Hitzlsperger nimmt den Kampf auf - Leitartikel

Ravensburg (ots)

Ein Fußballer ist schwul, und keiner hört hin, keiner nimmt Notiz davon, keiner spricht ein Wort, weil es das Normalste der Welt ist und Sexualität ohnehin Privatsache - so lautet die Vision eines aufgeklärten Sports im 21. Jahrhundert. Noch ist es nicht soweit, wie der Fall des längst zurückgetretenen Thomas Hitzlsperger beweist. Kaum war das Coming-out des 31-Jährigen öffentlich, schon brachen die Server zusammen vor lauter Wissbegierigen und vor einer Menge Gaffern, die nichts lieber tun, als über die Homosexualität von Profis zu spekulieren. Dass Spielernamen am häufigsten mit dem Suffix schwul gegoogelt werden, sagt einiges aus über diese ach so tolerante Gesellschaft.

Hitzlsperger ist nicht mehr aktiv, er hat kaum mehr etwas zu verlieren, die Anfeindungen von Schwulenhassern dürften sich in Grenzen halten. Dennoch ist sein Outing bemerkenswert. Zum einen wagt er sich als bisher weltweit prominentester Fußballer aus der Deckung, zum anderen findet er sich nicht mit der Diskriminierung ab, sondern nimmt den Kampf auf gegen all jene Verblendeten, für die schwul kurioserweise ein Schimpfwort ist. Hitzlsperger könnte nun, wenn er denn will, die Speerspitze der Schwulenbewegung im Fußball werden, dieser größten verbliebenen Bastion des Machotums. Er könnte ein Pionier der Gleichberechtigung werden, ein Ansprechpartner für schwule Profis, die unter dem täglichen Versteckspiel leiden.

Den Gang in die Öffentlichkeit zu wagen, ist aktiven Kickern derzeit noch immer abzuraten. Fußballer sind keine Eiskunstläufer oder Turmspringer, deren Bekanntheitsgrad begrenzt ist. Sie sind von Millionen beäugte Mannschaftssportler. Angesichts der zu erwartenden Spießrutenläufe im eigenen Klub, in Stadien und sozialen Netzwerken bräuchte ein Geouteter ein extrem sonniges Gemüt und Nerven aus Stahl. Eine konzertierte Aktion hätte dagegen mehr Erfolgsaussichten. Ein, zwei Schwule aus jedem Klub, die sich outen, und die Angriffsfläche gegen Einzelne würde minimiert. Und nach zwei Wochen würde vermutlich keiner mehr darüber berichten.

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