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DIE ZEIT

Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes, in der ZEIT: Benzin nie wieder billig

Hamburg (ots)

Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Andreas
Troge, hat vor der Hoffnung auf billiges Benzin gewarnt. "Die Zeiten
billiger Energie sind vorbei", sagte Troge in der jüngsten Ausgabe
der Wochenzeitung DIE ZEIT. Gründe dafür seien das weltweite
Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sowie die zur Neige gehenden
Ölvorräte, die mit geringem Aufwand gefördert werden könnten.
Um den Belastungen durch die hohen Spritpreise auszuweichen, rief
Troge die Autofahrer zu einer "vorausschauenden und niedertourigen"
Fahrweise auf. Das spare "mindestens 15 Prozent".
Leichtlauf-Motorenöl und Leichtlaufreifen minderten den Verbrauch
darüber hinaus um jeweils 5 Prozent.
In den neunziger Jahren sei der klimaschädliche
Kohlendioxid-Ausstoss aller Strassenfahrzeuge um 9 Prozent gestiegen,
sagte Troge der ZEIT. Der Durchschnittsverbrauch aller PKW habe
zwischen 1991 und 1999 nur von 8,3 auf 8,0 Liter pro 100 Kilometer
abgenommen. Neuwagen seien zwar in der Regel sparsamer, aber auch
grösser und mit mehr Extras ausgestattet. "Deshalb hat nur ein
kleiner Teil des technischen Fortschritts an Fahrzeugen zu
Verbrauchsminderungen geführt", so Troge.
Als "wirklich schädlich" bezeichnete der UBA-Chef die Demontage
der Ökosteuer. Wer den von der Abgabe ausgehenden Anreiz nicht mehr
gelten lasse wolle, mache den Absatz sparsamer Auto "zunichte". Als
"knallharte Interessenpolitik" bezeichnete Troge den Versuch,  mit
sozialen Argumenten gegen die Ökosteuer vorzugehen. Geringverdiener
gäben einen vergleichsweise hohen Anteil ihres Budgets für  Busse und
Bahnen aus. Die Fahrscheine dafür kosteten heute aber zehnmal mehr
als 1960, während sich der Benzinpreis nur verdreifacht habe.
Zu der Frage, ob die Ökosteuer auch nach dem Jahr 2003 weiter
schrittweise erhöht werden sollte, wollte sich Troge nicht äussern.
Er halte es für klug, "für alle Vorschläge offen zu sein". Für eine
definitive Festlegung sei es aber "noch zu früh".
Andreas Troge, Chef des Umweltbundesamtes (UBA), über Benzinpreise
und Ökosteuer
DIE ZEIT: Herr Troge, so teuer wie momentan war Sprit noch nie.
Hat langsam auch der Präsident des Umweltbundesamtes Mitleid mit den
Autofahrern?
Andreas Troge: Ich habe zwar Verständnis, aber kein Mitleid mit
den Autofahrern. Verständnis, weil die Spritpreise - gemessen an der
Kaufkraftentwicklung - in den vergangenen Jahren gesunken sind und
nun viele Autofahrer von den steigenden Preisen überrascht sind.
Mitleid aber nicht, weil jeder diesen Belastungen zu einem gut Teil
ohne großen Aufwand ausweichen kann. Wirklich leid tun mir nur
diejenigen, die partout nicht wahrhaben wollen, dass die
Energiepreise mittelfristig steigen; und die nicht einmal jetzt die
Chance nutzen, sich darauf einzustellen.
DIE ZEIT: Mit welchen Preisen müssen wir denn demnächst rechnen,
mit 5 Mark pro Liter?
Troge: In absehbarer Zeit sehe ich das nicht, obwohl man die
internationalen Märkte nicht kennt. Trotzdem: Für die nächsten zehn,
fünfzehn Jahren gehe ich von deutlich steigenden Energiepreisen aus -
allein schon wegen des weltweiten Bevölkerungs- und
Wirtschaftswachstums. Hinzu kommt, dass die Ölvorräte, die mit
geringem Aufwand zu fördern sind, zur Neige gehen. Die Zeiten
billiger Energie sind vorbei.
DIE ZEIT: Deshalb raten Sie zum Sparen, obwohl Wirtschaftsminister
Werner Müller für diesen Tipp schon kräftig Prügel kassieren musste?
Troge: Völlig zu Unrecht. Viele Menschen verhalten sich ja auch
schon ökonomisch vernünftig. Denken Sie an die wachsende Nachfrage
nach sparsamen Dieselautos.
DIE ZEIT: Was kann derjenige tun, der sich nicht gerade ein neues
Auto kaufen will?
Troge: Eine ganze Menge. Erstens und vor allem sollte er den
Gasfuß feminin bewegen.
DIE ZEIT: Wie bitte?
Troge: Feminin deshalb, weil Frauen häufiger vorausschauend und
niedertourig fahren. Das spart mindestens 15 Prozent Sprit - und
erhöht nebenbei auch die Sicherheit. Zweitens: Leichtlauf-Motorenöl
mindert den Verbrauch um fünf Prozent; Leichtlaufreifen, drittens,
lassen den Sprithunger noch mal um genauso viel schrumpfen. Viertens
kann die Fahrstrecke verkürzen, wer auf einer Tour verschiedene Ziele
ansteuert. Und fünftens sind natürlich Fahrgemeinschaften zu
empfehlen.
DIE ZEIT: Das hätte auch der ADAC-Chef sagen können. Was bewegt
den UBA-Präsidenten, sich so intensiv wie Sie mit Autos zu
beschäftigen - zumal Ihre Behörde unlängst hat wissen lassen, das
Abgas manch neuen Autos sei sauberer als Stadtluft?
Troge: Das trifft nur für die besten Neuwagen zu. Bei der
Schadstoffminderung gab es Erfolge. Trotzdem: In den neunziger Jahren
ist der klimaschädliche Kohlendioxid-Ausstoß aller Straßenfahrzeuge
um neun Prozent gestiegen, vor allem wegen zunehmender
Fahrleistungen. Da hilft kein Katalysator. Das ist ein enormer Punkt.
Der durchschnittliche Verbrauch aller zugelassenen Pkw hat sich von
1991 bis 1999 kaum vermindert. Er nahm gerade mal von 8,3 Liter auf
8,0 Liter pro hundert Kilometer ab.
DIE ZEIT: Obwohl neue Autos meist sparsamer sind.
Troge: Richtig, aber auch größer und mit mehr Extras ausgestattet.
Deshalb hat nur ein kleiner Teil des technischen Fortschritts an
Fahrzeugen zu Verbrauchsminderungen geführt. Darum sind
Verhaltensänderungen ja so wichtig.
DIE ZEIT: Kann der Staat Verbrauchern und Autobauern nicht ein
wenig helfen?
Troge: Die EU-Kommission sollte endlich ihr Vorhaben umsetzen, die
Autoverkäufer zu verpflichten, auf den Preisschildern in ihren
Verkaufssalons auch den Normverbrauch anzugeben. Und die
Bundesregierung würde ein Signal setzen, wenn sie ihre Ankündigung
wahr macht, die Kfz-Steuer auch am Kohlendioxid-Ausstoß zu
orientieren.
DIE ZEIT: Stattdessen tobt hierzulande wegen der hohen
Benzinpreise der Streit um die Ökosteuer.
Troge: Die Demontage der Ökosteuer ist wirklich schädlich. Von
ihrer sozialpolitischen Zweckbestimmung mal abgesehen - sie soll doch
allen Verbrauchern signalisieren: Leute, stellt euch auf höhere
Preise ein, damit ihr später keine bösen Überraschungen erlebt. Diese
Botschaft jetzt nicht mehr gelten zu lassen macht natürlich den
Absatz sparsamer Autos zunichte.
DIE ZEIT: Sollte deshalb die Ökosteuer auch nach 2003 in kleinen
Schritten weiter erhöht werden?
Troge: Das habe ich nicht gesagt.
DIE ZEIT: Also sollte nach 2003 Schluss sein?
Troge: Als Chef einer wissenschaftlichen Behörde halte ich es für
klug, für alle Vorschläge offen zu sein.
DIE ZEIT: Sehr diplomatisch.
Troge: Gar nicht. Ich sage nur: Wir wissen noch zu wenig darüber,
wie sich die nationale und die internationale Klimapolitik
weiterentwickelt und was auf dem Ölmarkt geschieht. Uns fehlt ja
sogar noch eine solide Analyse der jetzt zweijährigen Erfahrungen mit
der Ökosteuer. Deshalb sage ich, dass es noch zu früh ist, für die
Zeit nach 2003 Vorschläge zu machen. Fragen Sie mich nächstes Jahr.
DIE ZEIT: Zögern Sie auch deshalb, weil die Ökosteuer vor allem
die Einkommensschwachen trifft?
Troge: Das ist eine Legende. Der Benzinpreis hat sich seit 1960
verdreifacht, der Brotpreis hat sich versechsfacht, und der
Busfahrschein kostet heute zehnmal so viel. Ausgerechnet die
Geringverdiener geben aber einen vergleichsweise hohen Anteil ihres
Budgets für Busse und Bahnen aus. Wer mit sozialen Argumenten gegen
die Ökosteuer vorgeht, betreibt also knallharte Interessenpolitik.
DIE ZEIT: Wann erlöst neuer Kraftstoff die Autofahrer vom Öl?
Troge: Vorsicht. Die Hoffnung, alternative Kraftstoffe wären
billiger als konventionelle, ist eine Illusion. Sie kommen erst, wenn
sie wegen hoher Ölpreise eine Marktchance haben.
DIE ZEIT: Auf Wasserstoff- und Brennstoffzellenautos müssen wir
also noch warten?
Troge: Das sind faszinierende Techniken. Aber momentan
kompensieren die Energieverluste bei der Herstellung des Wasserstoffs
noch weitgehend den Vorteil der Brennstoffzelle beim Wirkungsgrad.
Die klimapolitischen Vorteile sind im Vergleich zu billigeren,
spritsparenden konventionellen Fahrzeugen also gering - zumindest
solange der Wasserstoff nicht mit Solarenergie, sondern mit fossilen
Brennstoffen erzeugt wird. Im Übrigen: Brennstoffzellen erzeugen
Strom und Wärme. In Fahrzeugen werden große Wärmemengen aber gar
nicht gebraucht, wohl aber in Gebäuden. Deshalb werden
Brennstoffzellen wohl eher in die Heizungskeller einziehen, bevor sie
unter der Motorhaube Dienst tun.
Mit Andreas Troge sprach Fritz Vorholz      /      DIE ZEIT Nr. 19
vom 3. Mai 2000
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