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Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)

Ein Jahr nach dem Sturz Assads: Akute Gefahr des Völkermords an Alawiten und Drusen – Abschiebestopp nach Syrien!

Ein Jahr nach dem Sturz des Assad-Regimes und der Machtübernahme durch radikale Islamisten und Dschihadisten in Syrien zieht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eine dramatische Bilanz: Die Hoffnung auf Stabilität und Sicherheit für alle Bevölkerungsgruppen hat sich nicht erfüllt. Stattdessen sind ethnische und religiöse Minderheiten systematischer Gewalt, Vertreibung und gezielten Angriffen ausgesetzt. Die GfbV spricht von einer akuten Gefahr des Völkermords an Alawiten, Drusen und anderen Minderheiten und fordert die internationale Gemeinschaft zum sofortigen Handeln auf. Abschiebungen nach Syrien seien angesichts der aktuellen Lage unmenschlich.

„Die Freude vieler Syrer über den Sturz des Assad-Regimes vor einem Jahr und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, wurden durch die Machtübernahme der Islamisten im Keim erstickt. Tatsächlich hat sich die Lage in Syrien in keiner Weise stabilisiert“, sagt Dr. Kamal Sido, Nahostreferent der GfbV. Im Gegenteil, Syrien befinde sich in der schlimmsten Phase seiner Geschichte, so der Historiker. „Die neuen islamistischen Machthaber wollen das Land nicht gemeinsam regieren – sie wollen es arabisieren und islamisieren, und zwar um jeden Preis.“

„Es ist unverantwortlich, dass die Bundesregierung trotz der dramatischen Lage vor Ort und der andauernden Menschenrechtsverletzungen des islamistischen Regimes über Abschiebungen nach Syrien debattiert“, sagt der Nahostreferent der GfbV. Die Menschenrechtsorganisation fordert einen bundesweiten Abschiebestopp nach Syrien. „Vor allem Drusen, Alawiten und Angehörige anderer Minderheiten dürfen auf keinen Fall nach Syrien abgeschoben werden.“

Versuchter Völkermord an Alawiten und Drusen

Die rund drei Millionen Alawiten, die an der Mittelmeerküste leben, befinden sich seit der Machtübernahme al-Scharaas in ständiger Gefahr, getötet, verschleppt oder ausgeraubt zu werden. Bereits im März dieses Jahres wurden Tausende Alawiten, darunter Frauen und Kinder, von Truppen des neuen islamistischen Regimes in Syrien ermordet, nur weil sie Alawiten waren. Auch wenn offiziell nur von 1.600 getöteten Alawiten die Rede ist, dürfte die tatsächliche Zahl viel höher liegen. Einige Alawiten sprechen von 30.000 bis 60.000 Toten, Verletzten und Verschwundenen. Währenddessen geht die offene Jagd auf Alawiten weiter, wie in der zentralsyrischen Stadt Homs.

Das Drusengebiet im Süden Syriens steht seit Juli dieses Jahres faktisch unter einer Dauerblockade. Kaum Lebensmittel, Treibstoff oder Medikamente gelangen in das Gebiet. Ohne das Eingreifen der israelischen Luftwaffe wären möglicherweise Hunderttausende von ihnen getötet oder vertrieben worden. Wie viele Angehörige der drusischen Minderheit durch das islamistische Regime getötet wurden, ist unklar. Einige Drusen sprechen von mindestens 5.000 bis 7.000 Toten, Verletzten oder Verschleppten – das entspräche einem Prozent der gesamten drusischen Bevölkerung Syriens, die etwa 700.000 Menschen umfasst. Als Reaktion auf die Massenmorde, Verschleppungen und die systematische Vergewaltigung drusischer Frauen durch das islamistische Regime und dessen Milizen seien die Drusen dabei, sich vollständig vom Rest des Landes abzuspalten.

„Die systematischen Angriffe auf Alawiten und Drusen sind Teil einer gezielten Strategie der Einschüchterung und Vernichtung. Es handelt sich um den Versuch des Völkermordes. Die internationale Gemeinschaft muss alles tun, um dies zu verhindern“, erklärt der Nahostreferent. Das neue Regime und seine Hilfstruppen seien an den gezielten Angriffen und der Ermordung von Alawiten und Drusen aktiv beteiligt gewesen, hätten diese geduldet sowie viele Dörfer und Häuser von Alawiten und Drusen, auch in Damaskus, in Brand gesetzt.

Christen, Kurden und andere Minderheiten sind schutzlos

Auch die christliche Minderheit in Syrien wird nicht als gleichberechtigt anerkannt. Trotz ihrer jahrhundertelangen Geschichte im Land müssen sich Christen den strengen Regeln der Scharia unterwerfen. In Behörden und Ministerien bestimmen salafistische Scheichs über das tägliche Leben – Christen haben keine echte Religionsfreiheit und sind ständiger Diskriminierung ausgesetzt.

„Die Minderheiten in Syrien sind schutzlos. Die sogenannte syrische Polizei und Armee sind nicht gewillt, religiöse und ethnische Minderheiten vor Angriffen zu schützen. Sie bestehen vor allem aus radikalen sunnitischen Islamisten, die jahrelang in den Reihen des IS oder anderer islamistischer Milizen gedient haben. Zudem müssen alle neuen Rekruten der Polizei und Armee eine religiöse Schulung durch radikale Prediger durchlaufen“, erklärt der Nahostreferent.

Dass in Syrien noch Kurden leben, sei vor allem ihrer Miliz zu verdanken: den „Syrischen Demokratischen Kräften“ (SDF), die von Kurden angeführt und militärisch von den USA unterstützt werden. Dennoch befinden sich die in Syrien verbliebenen Kurden in großer Gefahr. Nachdem die Türkei bereits mehrere kurdische Gebiete – wie Afrin 2018 und Serekaniye (Ras al-Ain) 2019 – besetzt hat, droht sie immer wieder mit neuen Militärinterventionen gegen die verbliebenen kurdischen Gebiete.

Sie erreichen Dr. Kamal Sido unter k.sido@gfbv.de oder 0173/6733980.

Gesellschaft für bedrohte Völker
Pressereferat
Sarah Neumeyer
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