Alle Storys
Folgen
Keine Story von Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV) mehr verpassen.

Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)

Islamisten setzen Universitäten in Syrien zunehmend unter Druck: Jahrestag der Gründung der ersten kurdischen Uni in Syrien (26.7.)

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt anlässlich des zehnten Jahrestags der Gründung der Universität in Afrîn am 26. Juli 2015 vor der drohenden Zerstörung der drei verbliebenen Universitäten in Nordsyrien. Die Universität in Afrîn war die erste kurdische Universität in Syrien und existierte nur drei Jahre. Als die Türkei die nordwestlich gelegene syrisch-kurdische Region Afrîn 2018 völkerrechtswidrig besetzte, wurde die Universität ebenso wie etwa 400 kurdische Schulen zerstört. „Nach dem Sturz der Assad-Diktatur wird die Gefahr immer größer, dass die neue islamistische Regierung in Damaskus die Kontrolle über die nordöstlichen Regionen Syriens übernimmt. Für die dort ansässigen Universitäten würde dies das Ende der Wissenschaftsfreiheit bedeuten“, sagt Dr. Kamal Sido, Nahostreferent der in Göttingen ansässigen Menschenrechtsorganisation.

In den Gebieten im Nordosten Syriens, die nicht unter der Herrschaft der islamistischen Regierung in Damaskus stehen, befinden sich noch drei Universitäten: die Rojava-Universität in Qamischli, die Universität von Kobani und die Al-Sharq-Universität in Raqqa. Die 2016 gegründete Rojava-Universität in Qamischli gilt als die größte Universität in der autonomen Selbstverwaltung Nordsyriens. Die Universität von Kobani wurde 2017 gegründet. Neben den beiden Universitäten in den mehrheitlich kurdischen Regionen wurde 2021 die Al-Sharq-Universität in der mehrheitlich arabischen Stadt Raqqa gegründet. An allen drei Universitäten werden nicht nur verschiedene Fächer gelehrt, sondern es wird auch für religiöse und ethnische Toleranz sowie die Gleichberechtigung von Frauen und Männern geworben.

„Wissenschaftsfreiheit ist ein Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften. Wir appellieren an deutsche Universitäten, sich für die Freiheit der Universitäten in Syrien einzusetzen. Es besteht aktuell keine einzige Kooperation zwischen den nordsyrischen und deutschen Universitäten, obwohl Universitäten aus vielen anderen Ländern solche Kooperationen aufgebaut haben“, sagt Dr. Kamal Sido. Den Grund für die fehlende Solidarität sieht er in den engen Beziehungen deutscher und türkischer Universitäten. Diese lehnten jeglichen Kontakt zur autonomen Selbstverwaltung in Nordsyrien ab.

Während an den drei Universitäten in der autonomen Selbstverwaltung Nordsyriens Frauen etwa 68 Prozent der Studierenden und 52 Prozent der Professoren ausmachen, setzen sich an den Universitäten, die sich unter der Kontrolle der neuen islamistischen Regierung in Syrien befinden, immer stärker islamistische Tendenzen durch. „Diese Entwicklung gefährdet die Zukunft der Universitäten und der Wissenschaft in Syrien insgesamt“, warnt der Menschenrechtler.

Seit dem Sturz des Assad-Regimes werden laut der Menschenrechtsorganisation an fast allen syrischen Universitäten, insbesondere in Damaskus, mit Hochdruck Gebetsräume errichtet. Auch Lesesäle und Universitätshöfe würden oft demonstrativ zu Gebetsplätzen erklärt, an denen Tausende Studenten getrennt von Frauen das islamische Gebet verrichten. In den Lesesälen und an den Wänden der Universitäten seien wiederholt Flugblätter gefunden worden, in denen Studierende dazu aufgerufen werden, sich an islamische Regeln zu halten. Die Lehrkräfte stünden oft unter der Kontrolle verschiedener Scheiche, die Verbindungen zu radikalen Gruppen wie dem internationalen Terror-Netzwerk al-Qaida haben. „Zu den Gebetszeiten wird oft chaotisch zum Gebet gerufen. Studierende des weiblichen Geschlechts werden aufgefordert, sich an die islamischen Kleiderregeln zu halten. Syrische Universitäten werden für Christen, Alawiten, Drusen, aber auch für Kurden zu Orten der Intoleranz und Brutstätten radikaler Gruppen wie al-Qaida oder der Muslimbruderschaft“, warnt Dr. Kamal Sido, der im April und Mai 2025 durch Syrien reiste.

Die zunehmende Verbreitung islamistischer Ideologien könnte auch weitreichende Folgen für in Deutschland lebende Syrer haben. Eine Stärkung des Einflusses islamistischer Ideologien auf Menschen syrischer Herkunft in Deutschland birgt vor allem für Angehörige von Minderheiten Gefahren. In Deutschland lebende Drusen, Kurden und andere Minderheitenangehörige werden bereits jetzt verstärkt von Islamisten bedroht.

Sie erreichen Dr. Kamal Sido unter k.sido@gfbv.de oder 0173/6733980.

Gesellschaft für bedrohte Völker
Pressereferat
Sarah Neumeyer
Postfach 2024
D-37010 Göttingen
Tel.:  +49 551 499 06-21
Fax:  +49 551 580 28
E-Mail:  presse@gfbv.de
 www.gfbv.de
Menschenrechtsorganisation mit beratendem Status bei den UN und mitwirkendem Status beim Europarat
Weitere Storys: Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Weitere Storys: Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)