Presserat rügt Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes
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Presserat rügt Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes
Der Deutsche Presserat hat auf seinen Sitzungen am 30. Juni und 8. Juli
insgesamt acht Rügen ausgesprochen.
Foto einer Erschießung war unangemessen sensationell
BILD AM SONNTAG erhielt eine Rüge, weil die Redaktion ein Standbild aus einem Überwachsungsvideo veröffentlichte, das die Erschießung eines Menschen zeigte. Unter der Schlagzeile „Der Mörder vom Mörder des Mörders” berichtete die Redaktion, dass ein Mann aus Rache den Mörder eines Familienmitglieds in aller Öffentlichkeit am Frankfurter Hauptbahnhof erschossen habe. Das Foto der Tat verletzte die Ziffer 11 des Pressekodex, wonach die Presse auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid verzichtet. Zudem verstieß die Redaktion gegen den Opferschutz gemäß Ziffer 8, Richtlinie 8.2, da sie ein Porträtfoto des Erschossenen zeigte, jedoch offenbar vorher keine Einwilligung der Angehörigen eingeholt hatte.
Nationalität eines Verurteilten war nicht von öffentlichem Interesse
BILD.DE wurde wegen einer Veröffentlichung unter der Überschrift „Syrer (18) fährt 4 Menschen tot und bleibt frei“ gerügt. Die Dachzeile des Beitrags lautete: „Geheim-Prozess hinter verschlossenen Türen“. Der Artikel informierte über den Prozess gegen einen 18-jährigen Mann aus Syrien, der zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, weil er ohne Führerschein einen Verkehrsunfall verursacht hatte, bei dem vier Menschen ums Leben gekommen waren. Der Presserat erkannte in dem Beitrag eine Verletzung der Sorgfaltspflicht gemäß Ziffer 2 des Pressekodex, da die Dachzeile falsch und irreführend war. Die Verhandlung fand nach dem Jugendstrafrecht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, von einem „Geheim-Prozess“ konnte nicht die Rede sein. Zudem bestand kein begründetes öffentliches Interesse an der Nennung der Nationalität des Verurteilten gemäß Ziffer 12, Richtlinie 12.1 des Pressekodex.
Falschberichterstattung und schwerer Interessenkonflikt im Fall Judy S.
BILD.DE wurde gerügt wegen schwerer Verstöße gegen den Pressekodex in der Berichterstattung über die Polizistin Judy S. Unter der Überschrift „Trans-Polizistin zur Frauenvertreterin gewählt!” berichtete die Redaktion über Vorwürfe gegen die Polizistin, u.a. wegen sexuellen Missbrauchs, welche sich später jedoch als unwahr herausgestellt hatten. Auch die Behauptung, Judy S. sei „trans”, traf nicht zu. Wie sich ebenfalls später erwies, ist die Autorin des Beitrags mit einem Polizisten und Gewerkschaftsfunktionär verheiratet, dessen Organisation eine Konkurrentin bei der Wahl zur Frauenvertretung unterstützt hatte. Die Autorin stand daher in einem schweren Interessenkonflikt, den die Redaktion hätte vermeiden müssen. Insgesamt verstieß der Beitrag massiv gegen das Wahrhaftigkeitsgebot nach Ziffer 1, gegen das Gebot zur Trennung von Tätigkeiten gemäß Ziffer 6 und gegen den Persönlichkeitsschutz der Polizistin nach Ziffer 8. Zudem war der Bericht vorverurteilend gemäß Ziffer 13 des Pressekodex.
Mordopfer in Zusammenhang mit Erotikkino gebracht
BILD.DE erhielt eine Rüge wegen einer unsorgfältigen und unangemessen sensationellen Berichterstattung über ein Tötungsdelikt. Unter der Überschrift „Festnahme nach Mord vor Sex-Kino“ veröffentlichte die Redaktion ein Video, in welchem sie über den Mord an einer Psychologin vor deren Praxis berichtete, die sich neben dem Kino befand. Durch die Schlagzeile wurde das Opfer ohne sachlichen Grund und in aufmerksamkeitsheischender Weise in den Zusammenhang mit dem Erotikkino gebracht. Diese Darstellung verstieß gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 und war zudem unangemessen sensationell nach Ziffer 11 des Pressekodex. Zudem verletzte die Redaktion auch den Persönlichkeitsschutz des Tatverdächtigen gemäß Ziffer 8, Richtlinie 8.8 des Pressekodex, in dem sie mehrfach dessen privaten Wohnsitz zeigte.
Name und persönliche Details zu Mordopfer veröffentlicht
Das Onlineportal des OFFENBURGER TAGEBLATTS, BADEN ONLINE, erhielt eine Rüge wegen eines Verstoßes gegen den Opferschutz. Die Redaktion veröffentlichte unter der Überschrift „Mord an einer 37-jährigen Frau in Offenburg: Hass als Tatmotiv“ neben dem vollständigen Namen des Mordopfers auch weitere private Details. Nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2, des Pressekodex sind Opfer jedoch besonders geschützt. Nur weil jemand einem Verbrechen zum Opfer fällt, darf er oder sie nicht automatisch identifizierend in der Presse gezeigt werden.
Redaktion unterstellt Café-Besuchern, sie würden Hamas huldigen
BILD.DE wurde gerügt wegen unbelegter Behauptungen über Besucher eines Berliner Cafés. Unter der Schlagzeile „Hamas-Anhänger huldigen Terror-Chef“ zeigte die Redaktion ein Video aus den sozialen Medien, in dem die Besucher eine Fernsehansprache eines Hamas-Sprechers verfolgen. Weder lieferte die Redaktion hinreichende Belege für ihre Behauptung, dass die Rede von einem libanesischen Propagandakanal übertragen wurde, noch deckte sich die Bewertung, die Zuschauer hätten dem Hamas-Führer „gehuldigt”, mit den Szenen aus dem Video, in dem die Besucher die Ansprache ohne erkennbare Gemütsregungen verfolgten. Der Presserat erkannte in der Darstellung schwere Verstöße gegen das Wahrhaftigkeitsgebot gemäß Ziffer 1 des Pressekodex und den Persönlichkeitsschutz der Zuschauer gemäß Ziffer 8, weil kein überwiegendes öffentliches Interesse an deren Identität bestand.
Angebliche Freundin eines mutmaßlichen Terroristen durfte nicht gezeigt werden
BILD AM SONNTAG erhielt eine Rüge wegen eines Artikels mit dem Titel „Polizei hat Freundin von RAF-Terrorist im Visier“. Der Beitrag beschäftigte sich mit der angeblichen Freundin des als ehemaligem Terroristen verdächtigten Burkhard Garweg. In dem Artikel wurden der Vorname der Frau, ihr abgekürzter Nachname und ihr Alter sowie Details zu ihrer Herkunft, ihrem Vorleben und ihrem Aufenthalt genannt. Zudem wurde ein unverpixeltes Foto von ihr veröffentlicht. Es hieß, die Polizei prüfe, ob sie an den in Rede stehenden Taten beteiligt gewesen sei. Der Presserat sah in der identifizierenden Darstellung einen schweren Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz der Frau gemäß Ziffer 8 des Pressekodex. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung gab es keine konkreten Erkenntnisse über eine Tatbeteiligung ihrerseits, es wurde auch nicht nach ihr gefahndet.
Unzulässige Fotos in Bericht über Terrorprozess
Die B. Z. wurde wegen eines Beitrags mit der Überschrift „Hamas-Schläfer horteten Waffen für Terror-Anschläge“ gerügt. Die Redaktion berichtete über den Prozessauftakt gegen mutmaßliche Hamas-Unterstützer, die Waffen- und Munitionsdepots zur Vorbereitung von Anschlägen angelegt haben sollen. Sie zeigte ein Foto der Vorsitzenden Richterin, obwohl für diese eine besondere Gefährdungslage bestand, wegen der das Gericht solche Aufnahmen untersagt hatte. Wegen der Gefahr für Leib und Leben durfte die Redaktion die Richterin nicht wie in anderen Fällen zeigen und verstieß damit gegen deren Persönlichkeitsschutz gemäß Ziffer 8, Richtlinie 8.1 des Pressekodex. Unzulässig war auch die Veröffentlichung des unverpixelten Fotos eines der Angeklagten. Zwar wurden ihm schwere Taten zur Last gelegt. Der Strafprozess stand jedoch noch am Anfang, weshalb die identifizierende Berichterstattung zu diesem Zeitpunkt nicht zulässig war.
Statistik:
8 öffentliche Rügen, 4 Missbilligungen und 8 Hinweise. 12 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet. Insgesamt behandelt wurden 32 Beschwerden.
Eine Liste der aktuellen Rügen finden Sie auf unserer Homepage:
https://www.presserat.de/ruegen-presse-uebersicht.html
Zum Pressekodex:
https://www.presserat.de/pressekodex.html
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Ansprechpartnerin für die Presse: Sonja Volkmann-Schluck Referentin Öffentlichkeitsarbeit DEUTSCHER PRESSERAT Fritschestraße 27-28, 10585 Berlin Tel.: 030/367007-19 Fax: 030/367007-20 volkmann-schluck@presserat.de www.presserat.de
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