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Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

Offener Brief an Peter Tschentscher

Offener Brief an Hamburgs Ersten Bürgemeister Peter Tschentscher: Romani Rose kritisiert Auslassung der Sinti und Roma in Gedenkrede

In einem offenen Brief an Peter Tschentscher hat Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, seine tiefe Empörung darüber zum Ausdruck gebracht, dass in der Gedenkansprache zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Neuengamme zwar der sechs Millionen jüdischen Opfer der Shoah gedacht wurde, die 500.000 ermordeten Sinti und Roma jedoch unerwähnt blieben.

An den

Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg

Dr. Peter Tschenscher

Rathausmarkt 1

20095 Hamburg

Sehr geehrter Herr Tschentscher,

ich möchte Ihnen gegenüber meine Empörung und Fassungslosigkeit zum Ausdruck bringen, dass Sie, als Regierender Bürgermeister Hamburgs, zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Neuengamme in Ihrer Ansprache mit Recht an die „Verfolgung, Deportation, Misshandlung und Ermordung von Jüdinnen und Juden“ erinnerten, das Leid und die Ermordung der 500.000 Sinti und Roma, die in Deutschland und im NS-besetzten Europa ermordet wurden, aber ignorierten.

Die Ignoranz darüber, dass der Holocaust auch die Ermordung einer halben Millionen Sinti und Roma bedeutet, ist die Ursache, dass der Antiziganismus weiter in unserem Land verharmlost und toleriert wird. Sehr geehrter Herr Bürgermeister Tschentscher, angesichts des gewaltbereiten Antisemitismus hat der Stadtstaat Hamburg mit der Zustimmung aller demokratischen Parteien im Senat 2023 die Bekämpfung des Antisemitismus in seine Verfassung aufgenommen, trotz der Intervention des Zentralrats, es aber bis heute abgelehnt, den Schutz gegenüber Sinti und Roma vor dieser Bedrohung ebenso in die Verfassung aufzunehmen.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Tschentscher, der Holocaust an den 500.000 Sinti und Roma im NS-besetzten Europa hat das Bewusstsein und die Identität unserer Minderheit geprägt. Orte wie Auschwitz, Majdanek, Chelmo, aber auch Bergen-Belsen und Neuengamme sind zu den größten Friedhöfen unserer Minderheit geworden. Der gleichgültige Umgang mit dieser historischen Aufarbeitung im Nachkriegsdeutschland ist beschämend für die Demokratie unseres Landes. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier entschuldigte sich 2022 für diese „zweite Verfolgung“ in der Bundesrepublik, die unsere Minderheit erfahren hat.

Ich schäme mich vor den Nachkommen der Opfer des Holocausts unserer Minderheit und den noch wenigen Überlebenden, dass ich es trotz einer fast fünfzigjährigen politischen Arbeit in diesem Land nicht erreicht habe, dass auch dieser Völkermord zum Bestandteil des nationalen Erinnerns und Gedenkens wurde.

Ich bitte Sie, sehr verehrter Herr Bürgermeister, um Verständnis für meine Empörung, die Ausdruck auch unserer Ängste ist, dass wir angesichts des Anwachsens von Antiziganismus und dem Propagieren von Hass durch Nationalisten und Rechtsextremisten das Ausblenden des Leids an unserer Minderheit mit Sorge in die Zukunft blicken.

Mit freundlichen Grüßen

Romani Rose

Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

 www.zentralrat.sintiundroma.de
 zentralrat@sintiundroma.de
Tel. 06221-981101
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