Alle Storys
Folgen
Keine Story von Deutscher BundeswehrVerband (DBwV) mehr verpassen.

Deutscher BundeswehrVerband (DBwV)

Uran-Munition: Gesundheitsrisiken können nicht ausgeschlossen werden
Soldaten fordern Aufklärung

Bonn (ots)

In den vergangenen Wochen sind zahlreiche zum Teil
widersprüchliche Berichte zum Thema Uran-Munition in den Medien
veröffentlicht worden. Deswegen sieht sich der Deutsche
BundeswehrVerband veranlasst, die Entwicklung und derzeitige
Situation aus seiner Sicht klarzustellen.
Aufgrund der aktuellen Berichterstattung ist den Soldaten bewusst
geworden, dass von der in Jugoslawien verschossenen Depleted Uranium
(DU)-Munition Gesundheitsgefahren ausgehen können. Die Amerikaner
selbst verharmlosen jetzt die Auswirkungen der verschossenen Munition
auf die Gesundheit nicht mehr. Die amerikanischen Soldaten werden
nachhaltig und detailliert auf die Gefahren, die von der
verschossenen Uran-Munition ausgehen, hingewiesen. Über 40.000
DU-Geschosse wurden im ehemaligen Jugoslawien seit 1994 zum Einsatz
gebracht. Seit kurzem kann aufgrund von UNO-Berichten und Erklärungen
der Amerikaner davon ausgegangen werden, dass die verwendeten
Geschosse nicht aus abgereichertem Natururan, sondern aus
Abfallprodukten von wieder aufbereitetem Kernmaterial bestehen und
somit durch Plutonium verunreinigt sind. Die Strahlung, die von der
Munition selbst ausgeht, gilt als unbedenklich. Da aber die Geschosse
beim Aufprall auf ein Ziel in der Regel verdampfen und in Feinstaub
in die nähere und fernere Umgebung gelangen können, kann Uran in den
Körper gelangen.
Bei Uran handelt es sich um ein sehr giftiges Schwermetall, das in
Feinstaub-, Staub- bzw. Dampfform eingeatmet, zu einer Reihe von
schwerwiegenden Erkrankungen führen kann. Es wurde festgestellt, dass
durch Nahrung, Trinkwasser oder durch die Atemluft aufgenommenes Uran
zu Nierenschäden, Nervenschäden oder auch zu Geburtsschäden bei den
Nachkommen führen kann. Es ist bekannt, dass eine Reihe von
Substanzen Leukämie auslösen können, so z.B. Benzol und
platinhaltige Mittel. Wenn die Geschosse aus wieder aufbereitetem
Kernmaterial bestehen, ist nicht auszuschließen, dass sich auch
Plutonium 239 - wenn auch in geringen Mengen - in den Geschossen
befand bzw. befindet. Plutonium 239 in den Körper aufgenommen
bedeutet, dass noch ein tausendstel Gramm (mg) die riesige
Strahlenbelastung von rund 50 Sievert (Sv) zur Folge hätte und ein
Millionstel Gramm immer noch 50 tausendstel Sievert (mSv). Nach der
entsprechenden EU-Norm und der neuen Strahlenschutzverordnung liegt
die Höchstgrenze für strahlenexponierte Personen bei 20 mSv pro Jahr.
Damit wäre die Strahlenbelastung durch ein Millionstel Gramm PU 239
immerhin noch 2,5 mal so hoch wie die Obergrenze für Personen, die
aus beruflichen Gründen Umgang mit Strahlen haben. Eingeatmetes
Plutonium lagert sich in der Lunge, den Knochen und der Leber ein.
Die Einnahme über den Magen ist etwa 10tausend mal weniger gefährlich
als über die Lunge. Bei der Verunreinigung mit Plutonium in den
Geschossen ist eine gesundheitliche Gefährdung somit viel
wahrscheinlicher als nur durch Uran.
In einem Schreiben des BMVg vom 22. April 1997 wird die
Strahlenexposition bei Bw-Soldaten an oder in unmittelbarer Nähe von
Orten/Zielen, die einem Beschuss durch DU-Munition ausgesetzt waren,
bezüglich der äußeren Bestrahlung durch Strahlung von auf dem Boden
abgelagerten DU sowie äußere Strahlenexposition durch Beta- und
Gammastrahlung radioaktiver Partikel in der Luft , Inhalation von
Staubpartikeln, Hand-/Mundaufnahme sowie die Aufnahme über Nahrung,
die von entsprechenden Orten stammt, als vernachlässigbar gering
bezeichnet. Das geringe Risiko sei durch Verbot des Essens, Trinkens
und Rauchens bzw. durch Tragen der ABC-Schutzmaske unmittelbar an
Verdachtsorten vermeidbar.
Zu Verdachtsorten war jedoch der Truppe z.B. im Kosovo bis Anfang
Oktober 1999 nichts bekannt.
Nicht unterschätzt wurde allerdings die Gefährdung in Folge der
Toxizität von DU, allerdings - wie bei der Strahlenexposition - durch
Einhaltung elementarer Grundsätze (an Verdachtsorten nicht Essen,
Trinken, Rauchen), sowie durch Tragen der ABC-Schutzmaske bei
Staubaufwirbelung als vermeidbar bezeichnet. Eine potentielle
Gefährdung, so dass Schreiben, könne durch das Vorhandensein
schwarzen Staubs vermutet werden. Davon kam bei der Truppe nichts an,
obwohl sich schon seit 1995 Bundeswehrsoldaten in kontaminierten
Gegenden aufhalten mussten. Aus dieser Zeit stammt auch die erste
bekannte Leukämieerkrankung eines vom DBwV betreuten deutschen
Unteroffiziers, der als Ursache Auswirkungen der DU-Munition nicht
ausschließt.
Bereits 1998 stellten die Amerikaner alles wissenswerte zur
DU-Munition ins Internet (www.grafenwoehr.military.army.savety.de).
Die Gefährlichkeit  der DU-Munition wurde dabei keineswegs
verschwiegen oder herunter gespielt. Das BMVg wertete erst von den
Amerikanern überreichte Unterlagen aus, die es 1999 erhielt. In einem
Schreiben des BMVg vom 21. Juli 1999 wurde daraufhin festgestellt,
dass die größte Gefahr für Soldaten der Bundeswehr im Kosovo nicht
von der DU-Munition, sondern von Blindgängern und Minen ausgehe. So
sei eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch die DU-Munition
sowohl wegen der radiologischen (Strahlenbelastung) als auch der
toxischen (giftigen) Eigenschaften des Urans als Schwermetall eher
unwahrscheinlich. Dies gelte auch für Uran als angebliche Ursache für
das oft zitierte "Golf-Kriegs-Syndrom". Es sei nicht automatisch mit
einer Gesundheitsbeeinträchtigung zu rechnen, wenn eine oder mehrere
vorgesehenen Schutzmaßnahmen nicht durchgeführt wurden. In dem
Schreiben heißt es allerdings, dass die Aufnahme von DU-Partikeln in
den Körper wegen der radiologischen und toxischen Wirkung durch
Tragen einer Staubmaske und Händewaschen vor dem Essen zu vermeiden
ist. Empfohlen wurde, sich nicht an zerstörte Fahrzeuge zu lehnen und
kein Material mitzunehmen. Auch wird erwähnt, dass die Inhalation,
solange kein Staub aufgewirbelt wird, unkritisch sei. Bei DU-Verdacht
sei Essen und Trinken einzustellen, bei schwarzem Staub
Gummiüberschuhe anzuziehen, bei Staubaufwirbelungen seien
ABC-Schutzmaske, Staubmaske, notfalls feuchtes Taschentuch zu tragen.
Objekte sollten nicht betreten oder bestiegen, Material nur mit
Handschuhen berührt werden. Bei Besteigen des eigenen Fahrzeugs sei
Erdstaub von Kleidung und Schutzwerk abzuklopfen, Schuhwerk
abzuwaschen u.ä. Derartige Informationen haben zahlreiche Soldaten im
Einsatzgebiet bis heute nicht erhalten oder nicht registriert.
Entsprechend sorglos war das allein auf Kampfgefährdung (Beschuss,
Minen) ausgerichtete Verhalten. So ist es nicht verwunderlich, dass
erste Soldaten bereits über Vergiftungserscheinungen klagen, die
trotz intensivster Untersuchungen die Ursache und die
Behandlungsmöglichkeit nicht erkennen lassen. Es ist nicht
auszuschließen, dass es in den nächsten zwei Jahren weitere Fälle
geben wird. Man kann von Glück sagen, dass es zum Einsatz von
Landstreitkräften während der Kriegshandlungen nicht gekommen ist,
denn die hätten zuerst in die von der DU-Munition kontaminierten
Gebiete gemusst. Der DBwV hatte sich damals gegen einen solchen
Einsatz gewandt.
Die Gesellschaft für Strahlenschutz e.V. warnt vor dem
Forschungsbericht "Überprüfung von Schutzmaßnahmen beim Deutschen
Heereskontingent KFOR" vom Januar 2001, den das BMVg in Auftrag
gegeben hatte. Es ging dabei um Untersuchungen zur Uranausscheidung
im Urin. Die Abwiegelung des Verteidigungsministers zur Uranmunititon
unter Hinweis auf den Bericht habe keine wissenschaftliche Grundlage,
rügt die Gesellschaft für Strahlenschutz. Unter Berufung auf die
Studie erklärte Verteidigungsminister Scharping in den letzten Tagen
gleichwohl wiederholt, dass es für die Soldaten des Deutschen
Heereskontingents KFOR, die im Kosovo eingesetzt worden seien,
keinerlei Gesundheitsgefährdung durch die Spuren amerikanischer
Uran-Munition gäbe. Da besondere Blutuntersuchungen genauer seien als
Urinanalysen, wird von der Gesellschaft eine biologische Dosimetrie,
die nicht billig ist, gefordert. Darauf sollten betroffene Soldaten
Wert legen.
Aus der Pressemitteilung des BMVg vom 04.01.2001 "Keine Kranken
durch Uranmunition" geht hervor, dass Verteidigungsausschuss und
Bundestag sowohl 1999 als auch 2000 mehrfach informiert wurden. Von
Informationen an die Truppe ist dabei aus gutem Grund nicht die Rede.
Von der bis heute durchgehaltenen verharmlosenden
Öffentlichkeitsarbeit des BMVg fühlen sich die Soldaten brüskiert,
die den Gesundheitsrisiken im Einsatz ausgesetzt waren, ohne es zu
wissen. Es zeichnet sich ab, dass hier, wie schon vor 20 Jahren bei
den radarstrahlgeschädigten Soldaten, eine vor allem juristische
Blockadepolitik betrieben wird. Damit wird wohl bezweckt, Kosten, die
durch Anerkennung der Gesundheitsbeeinträchtigung als
Wehrdienstbeschädigung, d.h. durch Rentenzahlung und medizinische
Betreuung entstehen, zu vermeiden. Was schlimmer ist, ist die
Vertuschung bei der Gefahrenanalyse und die unterbliebene Umsetzung
von Sicherheitsinformationen für die Truppe.
Tatsache ist auch, dass nicht einmal die, die vorrangig durch
kontaminiertes Gelände mussten, wie z.B. Pioniere, Fahrzeugführer,
fliegendes Personal, Spreng- und Sanitätstrupps, informiert worden
sind. Soldaten, denen einiges merkwürdig vorkam und die auf eigene
Kosten versuchten, der Sache auf den Grund zu gehen und Klarheit
verlangten, wurden blockiert. Untersuchungen wurden verweigert,
Meldungen und selbst Eingaben an die Wehrbeauftragte führten zu
abwiegelnden Reaktionen. Selbst, wenn in späteren Einsatzbefehlen
einschlägige Hinweise enthalten waren, kamen diese bei der Truppe
nicht an.
Immerhin können sich jetzt alle Soldaten und Reservisten, die
aufgrund ihres Einsatzes auf dem Territorium der ehemaligen
Volksrepublik Jugoslawien eine Exposition gegenüber DU vermuten, bei
einer Sanitätseinrichtung oder Arztgruppe Betriebsmedizin der
Bundeswehr untersuchen lassen und einer freiwilligen vorsorglichen
Untersuchung unterziehen. Anhand der Untersuchungsergebnisse wird die
beim Heeresunterstützungskommando eingerichtete Studiengruppe
Biomonitoring (Tel.: 0261/896-4893) entscheiden, ob bei hinreichendem
Verdacht eine weitere spezifische Untersuchung gemäß den Vorgaben
dieser Studiengruppe abzugeben ist. Unter der Telefonhotline
0261/896-2909 ist zum Thema DU von 8 bis 22 Uhr ständig ein Arzt zu
erreichen. Daneben besteht das Angebot der Internationalen
Vereinigung der Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW), sich für eine
Langzeitstudie registrieren zu lassen (030/6930244).
Die Soldaten erwarten, dass die Verharmlosungspolitik beendet
wird. Das Verteidigungsministerium muss dafür sorgen, dass sich
dieses Informationsdesaster nicht fortsetzt - auch mit Blick auf
mögliche Dienstunfähigkeits- und Wehrdienstbeschädigungsverfahren.
Das Beispiel der radarstrahlengeschädigten Soldaten zeigt, dass
möglicherweise durch Munitionsrückstände geschädigten Soldaten ein
jahrelanger Weg durch die Gerichtsinstanzen bevor steht. Der DBwV
fordert eine Beweislastumkehr: Der Dienstgeber muss beweisen, dass es
keinen Zusammenhang zwischen dienstlicher Verwendung und Erkrankung
gibt.
Noch nicht abschließend geklärt ist, ob und in welcher Intensität
auf deutschen Truppenübungsplätzen mit uranhaltiger Munition
geschossen wurde. Dieser Frage geht der DBwV derzeit intensiv nach
und fordert umgehende Aufklärung.
Wilfried Stolze
Tel.-Nr. 0228 / 3823-212

Original-Content von: Deutscher BundeswehrVerband (DBwV), übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Deutscher BundeswehrVerband (DBwV)
Weitere Storys: Deutscher BundeswehrVerband (DBwV)