Alle Storys
Folgen
Keine Story von Kölner Stadt-Anzeiger mehr verpassen.

Kölner Stadt-Anzeiger

Kölner Stadt-Anzeiger: Navid Kermani fordert: Stoppt den "Islamischen Staat"! Schriftsteller zieht Vergleich zu den Dimensionen, die der Erste Weltkrieg für Europa hatte

Köln (ots)

Der in Köln lebende Schriftsteller und Orientalist hält amerikanische Luftschläge und Waffenlieferungen an die Kurden für unzureichend. Damit könne womöglich die Offensive der Terrormiliz "Islamischer Staat" aufgehalten werden. "Eine Millionenstadt wie Mossul wird man damit nicht befreien", schreibt er in einem Gastbeitrag für den "Kölner Stadt-Anzeiger" (Freitagsausgabe). Kermani betont in seinem Beitrag: "Weder die künftige Regierung im Irak noch die Weltgemeinschaft dürfen sich damit abfinden, dass eine Terrorgruppe von hochgeschätzt zwanzigtausend Mann ein Gebiet von der Größe der Bundesrepublik beherrscht, es ethnisch und religiös brutal säubert, auch die eigene, verbliebene Bevölkerung tyrannisiert und demnächst, mit größeren Erfolgsaussichten als in Kurdistan, dauerhaft in die sunnitischen Gebiete im Norden des Libanon eindringt und mit Tripoli eine weitere Großstadt einnimmt. Dann würde von den Grenzen Irans bis an die Küste des Mittelmeers eine Polpotversion des Islams herrschen." Kermani schreibt weiter: "Dass die Weltgemeinschaft - nein, nicht nur die Amerikaner -, den drohenden Genozid an Christen, Jesiden und anderen religiösen Minderheiten verhindern muss, scheint sich in diesen Tagen als ein zivilisatorischer Konsens herauszukristallisieren. Sowohl die amerikanische wie auch die iranische Regierung liefern Waffen an die Kurden, die sich gegen den "Islamischen Staat" stemmen, und die Erzfeinde unterstützen auch gemeinsam den designierten Premierminister Haider al-Abadi bei seinem Versuch, in Bagdad endlich eine überkonfessionelle Regierung zu bilden. Die europäische Außenpolitik hat sich überraschend umstandslos aus den Fesseln ihrer notorischen Uneinigkeit befreit, indem sie sich selbst für bedeutungslos erklärte und den nationalen Regierungen freie Hand gab, einzugreifen oder nicht oder nur ein bisschen." Für den 46-Jährigen Orientalisten gibt es keinen Zweifel, dass sich die Weltgemeinschaft der Bedrohung durch den "Islamischen Staat" entgegenstellen muss:"Dass zur Zeit die nationalstaatliche Ordnung des Nahen Osten gesprengt wird, könnte, ja müsste Europa vielleicht noch hinnehmen - ist sie doch so willkürlich im 20. Jahrhundert entstanden, dass eine Neuordnung nicht zwingend schlechter sein muss. Nicht hinnehmbar ist, für kein mitfühlendes Herz, dass eine einzelne Terrorgruppe wie der "Islamische Staat" das fragile und doch so wertvolle, zivilisatorisch so reiche Gebilde unterschiedlichster Ethnien, Religionen und Sprachen vernichtet, das sich am östlichen Mittelmeer über viele tausend Jahre relativ kontinuierlich herausgebildet hat. Der Kampf gegen einen solchen, sich islamisch begründenden Extremismus darf nicht von Amerika allein geführt werden oder von christlichen Ländern, die sich um ihre Glaubensgeschwister zu Recht sorgen. Dieser Kampf muss ein Kampf gerade der islamischen Staaten, aber auch ihrer Theologen, ihrer Intellektuellen, der Muslime insgesamt sein. Ihre eigene Tradition ist es, die von den Dschihadisten zugunsten einer imaginierten, historisch, dogmatisch und vor allem auch menschlich völlig unhaltbaren Urgeschichte für obsolet erklärt wird." Kermani fürchtet, dass der Orient als Folge des Vormarsches der Terrorgruppe zivilisatorisch ausdörren könnte: "Speziell die arabische Welt hat schon den Exodus ihrer Juden nach der Gründung des Staates Israels kulturell nie kompensieren können. Würden nun auch die übrigen Minderheiten, allen voran die Christen verschwinden oder ihre Existenz sich auf einzelnen Enklaven beschränken, wäre der Orient zivilisatorisch so ausgedörrt wie die Wüste, aus der seine Propheten kamen. Was jetzt zu geschehen droht oder bereits geschieht, in diesen Tagen des Sommers 2014, kann in seinen Dimensionen und Auswirkungen für den Nahen Osten nur mit den Dimensionen und Auswirkungen verglichen werden, die der Erste Weltkrieg für Europa hatte - der noch größere, noch unheilvollere Folgekrieg nicht ausgeschlossen. Auch für Europa, das sich mit noch so hochgerüsteten Grenzregimen von seinem unmittelbaren Nachbarn nicht wird abschotten können, wären die Folgen spürbar, für jeden einzelnen Bürger, seinen Wohlstand, seine Sicherheit, seine Toleranz, für das Zusammenleben der unterschiedlichen Völker und Kulturen in den europäischen Städten." Der Schriftsteller zieht am Ende seiner Gastbeitrages das Fazit: "Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem selbst den verbohrtesten Regierungen dämmern müsste, dass auch ihre Interessen von dem Ungeheuer bedroht sind, das im Great Game des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts entstand. Das Spiel muss aufhören: Stoppt den "Islamischen Staat"! Der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani, 46, lebt in Köln. Im Frühjahr erschien sein Roman "Große Liebe". Am 19. September erhält er in Koblenz den Josef-Breitbach-Preis.

Pressekontakt:

Kölner Stadt-Anzeiger
Newsdesk
Telefon: 0221 224 3149

Original-Content von: Kölner Stadt-Anzeiger, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Kölner Stadt-Anzeiger
Weitere Storys: Kölner Stadt-Anzeiger
  • 14.08.2014 – 01:00

    Kölner Stadt-Anzeiger: Chef der Jungen Liberalen: FDP sollte von SPD lernen

    Köln (ots) - Der Chef der Jungen Liberalen, Konstantin Kuhle, findet, die FDP sollte von den Sozialdemokraten lernen. "Wir müssen professioneller werden", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag-Ausgabe). "Die SPD hat - anders als wir - in der Regierung mehrere ihrer Versprechen schnell umgesetzt", fügte Kuhle zur Begründung hinzu. Doch nicht nur bei der ...

  • 11.08.2014 – 01:00

    Kölner Stadt-Anzeiger: Grüne gegen verschärfte Ausweisungsregeln

    Köln (ots) - Der innenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, hat sich gegen verschärfte Ausweisungsregeln gewandt, um ausländische Islamisten leichter loswerden zu können. "Der bunte Strauß an Forderungen aus der Union von Ausbürgerung bis Einreiseverweigerung zeigt, man will Stimmung machen und hat kein Konzept", sagte er dem "Kölner ...