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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Steuersenkungen

Bielefeld (ots)

»Steuersenkungen? Diese Leier schon wieder«, dürfte mancher gestern spontan gedacht haben, als er von den neuerlichen Plänen der schwarz-gelben Koalition erfuhr. Steuersenkungen? Es ist der Regierung im Allgemeinen und der FDP im Besonderen anzulasten, dass nicht nur das Konzept, sondern allein das Wort derart in Misskredit geraten konnte. Doch kein noch so großes Koalitionschaos darf darüber hinwegtäuschen, dass dieses Vorhaben richtig war und bleibt. Die kalte Progression ist eine schreiende Ungerechtigkeit. Der Mittelstandsbauch trifft mit voller Wucht diejenigen, die von der Politik gern als die wahren Leistungsträger der Gesellschaft bezeichnet werden. Das alles ist hinlänglich bekannt, auch in Kreisen der Opposition. Gerade die SPD wird noch merken, dass der Begriff Steuergeschenk albern ist, wenn es um die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen geht. Auch das Argument vom falschen Zeitpunkt läuft ins Leere - ganz einfach deshalb, weil es den richtigen Zeitpunkt für Steuersenkungen ebenso wenig gibt wie den für Lohnerhöhungen. Stets ist entweder »das zarte Pflänzchen Aufschwung noch nicht kräftig genug« oder aber »der Konjunkturmotor könnte abgewürgt werden«. Doch Fakt bleibt, dass das Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden zuletzt rasant gestiegen ist. Nun darf man prozentuale Zuwächse nicht mit absoluten Zahlen verwechseln. Richtig ist auch, dass mit der grundgesetzlich festgeschriebenen Schuldenbremse und der längst nicht ausgestandenen Griechenland-Krise große Herausforderungen auf den Staat warten. Doch das tun sie immer. Man kann es auch so sehen: Immer mehr Firmen haben ihr Geschäft wieder auf Vorkrisenniveau gehievt, der Arbeitsmarkt brummt, und der Staat kassiert kräftig mit. Auf was also warten? Eine andere Frage ist die der politischen Rendite. Die nun diskutierte Steuersenkung ist weit weniger als die vollständige Einlösung des zentralen FDP-Wahlkampfversprechens. Sie ist eher eine Steuersenkung von Schäubles Gnaden. So bleibt fraglich, ob sich die Liberalen wirklich regenerieren können. Noch aber muss Bundeskanzlerin Angela Merkel alles versuchen, um dem dahinsiechenden Partner zu helfen. Schließlich ist nicht einmal die Hälfte der Legislaturperiode absolviert. So macht die Merkel-CDU, die noch vor kurzem keinen Spielraum für Steuersenkungen sah, zum wiederholten Mal eine Rolle rückwärts. Und diesmal scheint das Risiko überschaubar zu sein, weil für eine Steuersenkung ohnehin die Zustimmung des Bundesrats nötig ist. So kann die Union den Koalitionspartner am Leben, aber auch an der kurzen Leine halten und zugleich die Opposition in Mithaftung nehmen. Entweder SPD und Grüne machen mit oder sie stehen als Blockierer da. Kommt Ihnen bekannt vor? Ja, ja, ganz richtig, fast wie bei der Energiewende. Und Angela Merkel selbst? Die sitzt mittendrin und moderiert.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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