Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westfalen-Blatt mehr verpassen.

Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Voyeur-TV

Bielefeld (ots)

Die Macher der britischen Ausgabe von »Big
Brother« suchten Soldaten, die im Irak oder Afghanistan ein Bein oder
einen Arm verloren. Mit dem Elend dieser Männer wollten sie die 
Einschaltquote hochtreiben. Ein krasses Beispiel für Voyeur-TV, die 
Antwort der Privatsender auf wegbrechende Werbeeinnahmen.
Die Wirtschaftskrise lässt das Fernsehen verflachen. Einsame (»Bauer 
sucht Frau«) und Verzweifelte (»Super Nanny«) bevölkern regelmäßig 
das RTL-Programm, gescheiterte Gaststättenbetreiber lassen sich mal 
mehr, mal weniger bereitwillig von Restauranttester Christian Rach 
die Richtung vorgeben. Pro7 setzt auf Fleischbeschau in der 
»Model-WG«, Kabel1 auf den »Immobilienfürst«, der die Häuser 
derjenigen verkauft, die sich die Raten nicht länger leisten können. 
Und RTL2 strahlt die nächste »Big Brother«-Staffel aus - 148 Tage 
lang Überwachung mit der Kamera. Drei Stunden und 27 Minuten schaut 
der Deutsche täglich fern und bekommt so viele Dokusoaps vorgesetzt 
wie nie.
Die Behauptung der Privaten, sie wollten das wahre Leben abbilden, 
ist nur die halbe Wahrheit. Sie wollen aus Sensationslust und 
Schadenfreude auf Kosten anderer Kapital schlagen. Das gab jüngst der
RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger offen zu: Die Castingshow 
»Deutschland sucht den Superstar« sei eine »Symbiose aus 
Exhibitionismus und Voyeurismus«. Die Kandidaten wüssten, was sie 
tun.
RTL, Sat1 und Co. fehlt zudem schlicht das Geld, um neue, teure Shows
auf die Beine zu stellen und aufwendige, wertvolle Filme zu drehen. 
Sparen beim Etat bedeutet eben auch Sparen am Programm. Und weil 
Bauer Josef viel günstiger ist als ein prominenter Schauspieler, 
tummeln sich Namenlose auf der Mattscheibe.
Die Privaten seien zu »Gärtnern der Seichtgebiete« geworden, beklagt 
Journalist Michael Jürgs treffend. Statt Information böten die 
Privaten »Rotlicht und Blaulicht«, witzelt ARD-Programmdirektor 
Volker Herres.
Er hat gut lachen, ist doch die ARD vom Rückgang der Werbeeinnahmen 
sehr viel weniger betroffen als ihre private Konkurrenz: Die 
öffentlich-rechtlichen Sender bekommen jährlich mehr als 7,5 
Milliarden Euro Gebühren. Das setzt sie in die Lage, 2010 viel mehr 
ambitionierte, teure Streifen auszustrahlen als die Privatsender.
Deren Geldmangel kann aber nicht entschuldigen, dass sie mit ihrem 
Programm den Voyeurismus in der Gesellschaft schamlos schüren. 
Menschen vor Kameras lächerlich zu machen, verstößt gegen die Würde. 
Weil Gefühle verletzt würden, forderten Direktoren der 
Landesmedienanstalten schon 2009 die Sender zu einer 
»Selbstverpflichtung zur Einhaltung moralisch-ethischer Regeln bei 
Dokusoaps und Castingshows« auf. Verbunden mit der Hoffnung, dass bei
uns nicht schon bald verwundete Bundeswehrsoldaten der Quote wegen 
vorgeführt werden.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westfalen-Blatt
Weitere Storys: Westfalen-Blatt
  • 10.02.2010 – 19:38

    Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Privatinsolvenzen

    Bielefeld (ots) - Die aktuelle Statistik über den Anstieg der Privatinsolvenzen offenbart zwei Krisen. Die Folgen der Wirtschaftskrise konnten bislang durch Kurzarbeit weitgehend aufgefangen werden. »Weitgehend« heißt in dem Zusammenhang: So mancher Betrieb schafft es eben doch nicht. Er muss Insolvenz anmelden. Dann wird es für Mitarbeiter und kleine ...

  • 10.02.2010 – 19:37

    Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Medikamentenpreise

    Bielefeld (ots) - Praxisgebühr, Zuzahlung in der Apotheken - und jetzt auch noch Zusatzbeiträge bei vielen Kassen. Wer angesichts der schwindsüchtigen Finanzen des Gesundheitsfonds auf eine Notoperation durch den Gesundheitsminister gehofft hatte, sieht sich enttäuscht. Die Ankündigung Philipp Röslers (FDP), nunmehr Druck auf die Pharmafirmen machen zu ...

  • 09.02.2010 – 19:47

    Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Hartz-IV-Urteil:

    Bielefeld (ots) - Das Bundesverfassungsgericht hat kein überraschendes, aber ein weises Urteil getroffen. Die Karlsruher Richter haben deutlich gemacht, dass die Ermittlung der Hartz-IV-Sätze verfassungswidrig erfolgt ist, die Neugestaltung des Gesetzes aber ohne Vorgabe an die Politik zurücküberwiesen. Das ist gut, gehört doch die Gesetzgebung ins ...