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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Günter Grass wehrt sich gegen Kritik Falsche Worte THOMAS SEIM

Bielefeld (ots)

Maßlosigkeit mag das Vorrecht alter Männer sein. Aber es kann auch zum Verrat an sich selbst werden. Günter Grass überschreitet diese Grenze. Der deutsche Literaturnobelpreisträger hat sich mit einem politischen Beitrag - in lyrischer Gestalt - zur Lage im Nahen Osten zu Wort gemeldet. Er ist dabei sehr kritisch und sehr hart mit der israelischen Regierung ins Gericht gegangen, hat ihre Atombewaffnung öffentlich thematisiert, U-Boot-Lieferungen an Israel gegeißelt und vor den Folgen eines von Israel immer wieder angedrohten und angeblich bereits für den Sommer geplanten militärischen Schlags gegen echte oder vermeintliche Atombomben-Anlage des Iran gewarnt. Schon die Heftigkeit und die Struktur seiner lyrischen Worte konnten Anlass zu Kritik geben. Es ist nicht sehr glücklich, wenn ein deutscher Schriftsteller vom Grass'schen Format der Versuchung erliegt, sich zum Meinungsführer gegen Israel zu machen. Das gilt auch und vor allem dann, wenn man in der Sache durchaus begründeten Zweifel an der Richtigkeit der israelischen Politik in der Region hat, haben muss; und auch dann, wenn man der israelischen Regierung unterstellen muss, dass sie das Machtvakuum einer durch die Präsidentschaftswahl im November geschwächten US-Administration für einen Erstschlag nutzen will. Dieses Mal allerdings geht Grass noch einen Schritt weiter und das macht ihn mehr als sonst angreifbar. Man mag das in seinem Gedicht-Titel "Was gesagt werden muss" bereits anklingende Stammtisch-Niveau des "Man wird das doch wohl noch sagen dürfen" noch durchgehen lassen als die überzogene Verbitterung eines alten Mannes, der frustriert ist über den ungerechten Lauf der Geschichte. Dass aber Grass der Versuchung nicht widersteht, die deutschen Medien einer "gewissen Gleichschaltung" zu zeihen und sie damit auf die Ebene von Nazi-Medien zu heben, ist inakzeptabel. Man kann das dem geschätzten Literaturnobelpreisträger und Autoren der Danziger Trilogie nicht durchgehen lassen, weil man ihm die Zerstörung seines Werks und seines Rufs nicht überlassen darf. In der Bundesrepublik sind die Medien nicht gleich geschaltet. Und man darf in der Bundesrepublik noch etwas sagen. Das ist auch und gerade im Zusammenhang mit seinem Gedicht geschehen. Eine ganz andere Frage ist, ob sich die deutschen Medien in ihrer Mehrheit dem Thema angemessen genähert haben. Da gibt es immerhin Indizien, dass sie eher den Skandal gesucht haben, anstatt sich dem Auftrag der Aufklärung über die Vorgänge in Nahost zu verschreiben. Mag sein, dass Grass gestern dazu provozieren wollte. Mit Nazi-Vergleichen wie er sie nun benutzt allerdings erreicht er das nicht. Es sind dafür die falschen Worte. Als der ehemalige GrassFreund Oskar Lafontaine die Politik floh, rief ihm der Schriftsteller hinter her: "Halt's Maul! Trink deinen Rotwein!" Man wünscht sich von dem Nobelpreisträger mehr Klarheit in seinen Auftritten, damit ihm niemand hinterherrufen muss.

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