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Mittelbayerische Zeitung: Die Antwort von links
Die neue linke Bewegung will gegen rechten Zeitgeist Front machen. Dass ihre Vordenker Wagenknecht und Lafontaine heißen, schadet der Sache. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Sammlungsbewegungen, wie sie gestern von der linken Seite des politischen Spektrums in Deutschland von Sahra Wagenknecht sowie Grünen- und SPD-Politikern auf den Weg gebracht wurden, liegen offenbar im Trend in Europa. Emmanuel Macrons La République en Marche schaffte es sogar bis in den Präsidentenpalast in Paris. Die Fünf-Sterne-Bewegung des Beppe Grillo in Italien regiert in einer Koalition mit der rechtspopulistischen Lega Nord. In Spanien lehrt die Podemos-Bewegung den etablierten Parteien das Fürchten. Nach den rechtspopulistischen Bewegungen AfD und Pegida in Deutschland folgte gestern gewissermaßen die Antwort von links. Das trotzig gemeinte Projekt "Aufstehen" will den ausgeträumten Traum einer rot-rot-grünen Bundesregierung neu entfachen. Dabei war die Geschichte der politischen Linken in Deutschland bereits reich an Abspaltungen, Parteineugründungen, Sammlungsbewegungen, Strömungen, an Versuchen, kleinen Erfolgen und größeren Misserfolgen. Aus der staatstragend gewordenen SPD spalteten sich nach dem Ersten Weltkrieg die linkeren Parteien USPD und KPD ab. Während die eine bald wieder verschwand, wurde die andere - maßgeblich von Moskau gesteuert und in der sowjetisch besetzen Zone mit der SPD zwangsfusioniert - zur DDR-Staatspartei und damit hauptverantwortlich für verbreitete Misswirtschaft, Unfreiheit und quälenden Demokratieverlust im Osten Deutschlands. Aus einer Mischung von Missachtung des Umweltschutzes, Ablehnung der Kernenergie sowie des Willens zur Abrüstung durch die SPD-Spitze etablierten sich in den 70er und 80er Jahren die Grünen. Und als Protest auf Gerhard Schröders Hartz-Reformen entstand die gewerkschaftsnahe WASG, die vor elf Jahren mit der ostdeutschen PDS fusionierte und schließlich die heutige Linkspartei bildete. Allerdings haben all diese gravierenden Veränderungen im linken Lager nicht dazu geführt, dass die Bundesrepublik von einer ganz linken Regierung geführt wurde. Die Linken, wenn man dazu SPD, Grüne und Linke zählen will, waren viel mehr im Streit und tiefer gegenseitiger Abneigung vereint. Sollte das nun anders werden, weil einige aktive und verflossene Mitglieder dieser drei Parteien eine Bewegung aus dem Boden stampfen? Zweifel sind erlaubt. Als Gallionsfiguren in den vergangenen Jahren waren immer mit dabei der Ex-SPD- und Ex-Linken-Chef Oskar Lafontaine, der mit der SPD noch eine Rechnung offen zu haben glaubt, sowie seine Ehefrau Sahra Wagenknecht. Dass beide als Initiatoren und Vordenker der linken Sammlungsbewegung "Aufstehen" agieren, kann der Sache eher schaden, als nützen. Beiden geht es immer auch um die persönliche Profilierung - und sei es auf Kosten der eigenen Partei, mit der man gerade im Clinch liegt. Die gestern aus der Taufe gehobene Bewegung "Aufstehen" ist vor allem zweierlei: Erstens eine Reaktion auf den Vormarsch von Rechten, Rechtspopulisten und Rechtsextremen, nicht nur der AfD. Chemnitz hat gezeigt, wie diese Kräfte voranschreiten, die Straßen besetzen und die Auseinandersetzung mit Staat und politischen Gegnern suchen. Zweitens ist Aufstehen auch ein Reflex auf eine bräsig vor sich hinwurschtelnde große Koalition des Weiter so. Die GroKo konnte weder ein Signal des Aufbruchs ins Land senden, noch hat sie die Kraft, wirklich brennende Fragen der Menschen - von gerechten Löhnen, bezahlbaren Mieten, Armut von Familien mit Kindern, Pflegenotstand, Flüchtlinge - nachhaltig anzupacken. Den Boden für die neue linke Bewegung hat nicht nur die AfD, sondern auch die GroKo vorbereitet. Wagenknecht und Co. treten nun an, um Unzufriedene, gemäßigte Wut-Bürger einzusammeln. Sollten allerdings Menschen, die über die herrschende Politik Frust schieben, dadurch zum Nachdenken, zum demokratischen Mittun animiert werden können, wäre das bereits ein Erfolg.

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