Mittelbayerische Zeitung: "Die Wirkmacht der Vorurteile"
Kommentar zur Stigmatisierung von Sinti und Roma"
Regensburg (ots)
Drei Zigeuner fand ich einmal / Liegen an einer Weide" heißt es in Nikolaus Lenaus Gedicht "Die drei Zigeuner" von 1838. Der Dichter zeichnet darin das Stereotyp des nicht leistungsbereiten "Zigeuners" in zerschlissener Kleidung. Zerrbilder wie dieses haben im kulturellen Gedächtnis der europäischen Gesellschaften eine lange Tradition. Sie richten sich gegen Menschen, die seit rund 600 Jahren hier leben und sind bis heute lebendig: Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigte 2014, dass ein großer Teil der Gesellschaft Sinti und Roma nicht als gleichberechtigte Bürger wahrnimmt. 20 Prozent der Befragten lehnten sie als Nachbarn ab. Die Ausstellung in Ingolstadt hat daher Potenzial, beim Besucher Sensibilität für eine Minderheit zu wecken, die immer noch gegen Stigmatisierung kämpft. Die Schau zeigt: Die Ressentiments haben mit der tatsächlichen Lebensweise von Sinti und Roma nichts zu tun. Trotzdem nutzen Rechtspopulisten in Europa die alten Feindbilder für neue Hetze. Die NPD schrieb 2013 auf ein Wahlplakat: "Geld für die Oma statt für Sinti und Roma" - und knüpfte damit unverhohlen an die Art der Ausgrenzung an, wie sie die Nazis praktizierten. Doch spaltende Hetze verrät die demokratischen Werte, die seit mehr als 70 Jahren Frieden und Wohlstand in Europa garantieren. Dagegen muss der demokratische Staat entschieden aufstehen. Er ist verantwortlich, die Minderheit zu schützen, der sich staatlich betriebene, systematische Entrechtung tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben hat. Am Umgang mit Minderheiten zeigt sich, wie ernst unsere Gesellschaft es meint mit Gerechtigkeit und Demokratie.
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