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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Holger Schellkopf zur Vorratsdatenspeicherung

Regensburg (ots)

Eine humoristische Note kann man der Sache nicht absprechen. Zu einer Zeit, in der noch immer unbekannte Hacker im Computersystem des Bundestages machen, wozu sie gerade Lust haben, just zu dieser Zeit beschäftigen sich die Mitglieder dieses Bundestages mit einigen ganz entscheidenden digitalen Themen. Natürlich steht da angesichts der jüngsten Ereignisse das sogenannte IT-Sicherheitsgesetz im Fokus. Die Herrschaften Abgeordneten erleben die Bedeutung des Themas aktuell ja aus nächster Nähe. Sicher kann es auch den einen oder anderen Zweifel an der Kompetenz der Entscheiderrunde wecken, dass nach Stand der Dinge wohl die Unbedarftheit einiger Abgeordneter (oder zumindest von deren Mitarbeitern) das hauseigene Netzwerk-Desaster überhaupt möglich gemacht hat. Gleichzeitig lässt dieser Umstand aber Schlimmstes befürchten, blickt man darauf, dass sich die gleichen Kompetenzträger nur wenig später mit einem wesentlich komplizierteren Thema aus dem digitalen Lebensbereich auseinandersetzen - und früher oder später auch darüber entscheiden müssen. Justizminister Heiko Maas hat sich ohne große Begründung von seiner früheren Überzeugung verabschiedet und bringt ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, kurz VDS, ein. Lassen wir mal beiseite, dass selbst Juristen des Bundestages dem Entwurf wenig Chancen im Falle einer verfassungsrechtlichen Überprüfung einräumen. Ignorieren wir sogar, dass er ziemlich sicher nicht dem entspricht, was Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof in ihren Urteilen für die verfassungskonforme Ausgestaltung einer solchen Maßnahme gefordert haben. Handwerkliche Unsauberheiten sind wir bei den Gesetzen dieser Koalition ja gewohnt. Wirklich beunruhigend ist jedoch, mit welcher Selbstverständlichkeit auch der Widerspruch von der Propaganda unverdächtigen Akteuren wie der Datenschutzbeauftragten der Bundesrepublik einfach ignoriert wird. Auch dass quasi alle Verbände und Unternehmen der Medienbranche gemeinsam (was nicht einmal alle Schaltjahre vorkommt) der Wiedereinführung der in "Höchstspeicherpflicht" umbenannten Vorratsdatenspeicherung eine klare Absage erteilen, bringt die Bundesregierung nicht zum Nachdenken. Stattdessen argumentiert man mit nicht beweisbaren Allgemeinplätzen, deren Begründung selbst dem dafür engagierten Personal schwerfällt. So musste der Sprecher von Minister Maas passen, als er jüngst nach konkreten Gefahren gefragt wurde, die mit dem Verfahren abgewendet werden könnten. Wörtlich: "Ich hab jetzt hier Ad-hoc keine Gefahren, die ich Ihnen präsentieren kann, die dadurch abgewendet oder nicht abgewendet wurden." Aha, trotzdem ist die Gefahrenabwehr die meist genommene Begründung dafür, dass hinkünftig anhaltslos und flächendeckend Daten gespeichert und gesammelt werden sollen. Nur noch einmal zur Erläuterung: Übersetzt auf den analogen Teil unseres Daseins will das Gesetz, dass jedes Mal, wenn irgendein Bürger dieses Landes mit einem anderen Menschen spricht, fein säuberlich aufgeschrieben wird, wer da miteinander parlierte hat und wo das Ganze stattgefunden hat. Möge jeder für sich selbst entscheiden, ob er das angebracht findet. Alternative zu der Massenüberwachung würde es sehr wohl geben. So könnte das "Quick freeze"-Verfahren zum Einsatz kommen, wann immer ein Verdachtsmoment entsteht. Die Ermittler hätten notwendige Daten damit zur Verfügung. Bestätigt sich der Verdacht nicht, werden die Einträge wieder gelöscht. Alles machbar, wenn man es denn will. Aber traurigerweise ist der Kampf der Abgeordneten mit ihrem Netzwerk ein Symbol für den Umgang der Politik mit digitalen Themen. Viel zu viel wird hier falsch abgespeichert. Ganz ähnlich wie bei dem offenbar verhängnisvollen Mail im Abgeordneten-Postfach.

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