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Mittelbayerische Zeitung: Im Angesicht des Grauens
Die Fanatiker der IS-Miliz haben gezeigt, wozu sie fähig sind. Es darf kein Zögern des Westens mehr geben. Leitartikel von Christian Kucznierz

Regensburg (ots)

Ein Mann kniet irgendwo in der Wüste. Er trägt einen orangefarbenen Anzug, wie ihn die Terrorverdächtigen im US-Lager Guantánamo tragen. Neben ihm steht sein Henker, schwarzgewandet. Der Mann in orange heißt James Foley, er ist Journalist, seit zwei Jahren ist er in der Hand von Terroristen, in wenigen Augenblicken wird er sterben, auf barbarische Art. Seine Mörder halten alles auf Video fest. Während blutige Regime in aller Welt immer darauf bedacht sind, ihre Taten zu vertuschen, hat die islamistische Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) einen Propagandafeldzug ungeahnten Ausmaßes gestartet. Das Video der Enthauptung wurde auf Youtube veröffentlicht, über Twitter geteilt und ging damit in Minuten um die Welt. Es ist nicht das erste Video seiner Art und Bilder vom Terror der IS gibt es zuhauf im Netz. Ihre Wirkung haben sie nicht verfehlt. Die Angst vor ihrer Grausamkeit hat den Islamisten zum Sieg im Nordirak und in Syrien verholfen. Das Video des Abschlachtens Foleys aber hat eine neue Dimension. Es ist eine Kriegserklärung an die USA, an den Westen, die sich in den Konflikt eingemischt haben. Aber es gibt keine Alternative zu einer Einmischung - auch weil sie längst erfolgt ist. Sie ist Teil des Problems. Deutschland hat nun im Licht der jüngsten Entwicklungen eine Kehrtwende hingelegt. War anfangs nur von humanitärer Hilfe für die Flüchtlinge die Rede, wurde schnell handfeste Unterstützung für die Peschmerga daraus. Seit gestern prüft Berlin nun die Lieferung von Waffen. Dafür ist es höchste Zeit. Die kurdischen Verbände kämpfen mit veralteter Ausrüstung gegen gut ausgebildete Soldaten mit modernem Militärgerät, das von den Amerikanern in den Irak geliefert wurde. Dabei sind die Peschmerga an der vordersten Front. Bricht sie zusammen, haben die Islamisten freie Bahn. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, ist vor allem dem Versagen der westlichen und vor allem der US-Außenpolitik seit dem Ende des Kalten Kriegs zuzuschreiben. Der Krieg im Irak war ein fataler Fehler, der über eine halbe Millionen Opfer gekostet und eine ganze Region für ein Jahrzehnt ins Chaos gestürzt hat. Der US-Einmarsch beendete nicht nur das Regime von Saddam Hussein, sondern auch die von ihm mit äußerster Brutalität erzwungene Ruhe im Land. Während der US-Besatzung zeigte sich deutlich die ethnische und religiöse Zersplitterung des Irak. Das Chaos in den kommenden Jahren machte die IS erst möglich. Als Ableger der Al-Kaida gegründet, wurde sie mit Öl-Millionen aus Saudi-Arabien und Katar als Speerspitze im Kampf gegen die "Ungläubigen" und die Schiiten in der Region hochgerüstet. Als Syrien implodierte, war die IS für Immer-noch-Machthaber Assad ein willkommener Quasi-Verbündeter. Die Islamisten halfen dabei, andere Oppositionelle auszuschalten, nach dem Motto: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund". Aus der Erfahrung des Irak-Kriegs heraus entschied sich der Westen, dem Treiben in Syrien selbst nach dem Giftgaseinsatz gegen Zivilisten vor einem Jahr zuzusehen. Als Ausrede für diese Untätigkeit muss herhalten, dass es im UN-Sicherheitsrat keine Zustimmung zu einem Einsatz gibt. Das stimmt. Allerdings haben sich dieselben Verbündeten nicht gescheut, damals im Irak einen Krieg ohne UN-Mandat und mit gefälschten Argumenten zu beginnen. Der Westen hat durch falschen Aktionismus einerseits und Untätigkeit andererseits ein Trümmerfeld geschafften, auf dem die Islamisten der IS nun ihre Gegner abschlachten, aber auch Straßen und Krankenhäuser bauen, um sich so den Rückhalt der Menschen zu sichern. Sie haben das Vakuum, das die USA und ihre Verbündeten entstehen ließen, gefüllt. Die Zeit, diese Entwicklung rückgängig zu machen, ist lange verstrichen. Es gilt jetzt, zumindest die Auswirkungen einzudämmen - mit aller Macht. Die Peschmerga brauchen alle Hilfe, die sich bekommen können, vor allem aktive militärische Unterstützung. Die Aufnahmeländer der Millionen Flüchtlinge brauchen dringend logistische und finanzielle Hilfe. Bleibt beides aus, werden Millionen Vertriebener vor den Toren Europas stehen - genauso wie Dutzende gewaltbereiter Topterroristen. Und Bilder wie die von der Hinrichtung von James Foley werden uns weiter in den Schlaf verfolgen.

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