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Mittelbayerische Zeitung: Ohnmächtiger Westen

Regensburg (ots)

Von Reinhard Zweigler

Der Maidan in Kiew wird heftig geputzt, ehemals besetzte Gebäude in der West-Ukraine werden wieder nutzbar gemacht. In der Ukraine ist die Furcht vor einem militärischen Eingreifen Moskaus mit Händen zu greifen. Man spürt förmlich den Atem des russischen Bären. Russische Panzer rollen nur wenige Hundert Meter von der Grenze zur Ukraine auf. Und die Ukraine ist zerrissen. Der Osten des Landes, der zu großen Teilen von russischstämmigen Ukrainern bewohnt wird, ist ein Pulverfass, das jeden Moment explodieren kann. Und "Zar" Wladimir Putin erklärt, dass seine Truppen vom Parlament zwar die ausdrückliche Erlaubnis bekommen hätten, in der Ost-Ukraine einzumarschieren. Doch er hoffe, dass dies zum Schutz der "russisch-sprachigen Einwohner" nicht nötig werde. Und süffisant fügt der Kremlchef hinzu, dass das Gebiet von Charkiw bis Odessa im Südosten der Ukraine historisch betrachtet "Neu-Russland" sei, dass erst die Bolschewiken Lenins an die Ukraine abgegeben hätten. So wie der Ex-KP-Chef Nikita Chrustschow 1954 die eigentlich russische Krim "verschenkt" hatte. Das imperiale Vorgehen Putins, der Moskaus Einflussbereich notfalls mit Waffen zu erhalten gewillt ist, schockiert den Westen. Schlimmer noch: die Ereignisse der letzten Monate erleben ein weithin ohnmächtiges westliches Bündnis. Um Moskau Einhalt zu gebieten, fällt Washington, London, Paris und Berlin kaum mehr ein, als Sanktionen zu verhängen. Doch deren Wirkung ist äußerst fragwürdig. Mit ein paar Einreiseverboten oder Kontensperrungen für Angehörige der Putin-Nomenklatura ist Moskau schwerlich zu einer Entschärfung der Lage zu bewegen. Dies sind lächerliche Nadelstiche. Auch härtere Wirtschaftssanktionen gegen Russland, auf die sich Merkel und Obama möglicherweise nächste Woche in Washington verständigen, werden den russischen Bären kaum treffen. Europas von russischem Gas und Öl abhängige Wirtschaft dagegen schon eher. Was es dem Westen in der Ukraine-Krise zurzeit schwer macht, ist vor allem, dass es keine wirkliche politische Strategie gibt, wie mit der Ukraine, anderen Ex-Sowjetunion-Staaten und vor allem Russland selbst umgegangen werden soll. Die Interessen der USA unterscheiden sich noch dazu von denen der Europäer. Die Ukraine und Russland sind direkte Nachbarn von EU-Ländern. Es gibt vielfältige Beziehungen, auch wenn man sich nicht mag und bei Osteuropäern die historische Furcht vor Russland immer präsent ist. Die USA sind dagegen weit weg, nicht nur geografisch. Und "der Westen" hat in den vergangenen Jahren leider Putins durchaus vorhandene Bemühungen um ein gemeinsames "europäisches Haus" abgewiesen. Man erinnere sich nur an seine bejubelte Rede vor dem Bundestag 2001 über das endgültige Ende des Kalten Krieges. Allerdings schon Putins "Wutrede" auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor sieben Jahren blieb ohne Reaktion. Dass Putin heute brutal die großrussische Karte spielt und sich von West-Europa abwandte, hat auch damit zu tun, dass er abgewiesen wurde. Moskau sieht in der EU keinen Partner mehr. Nun nutzt Putin den nationalistischen Taumel in Russland geschickt aus, um von eigenen Schwächen abzulenken. Der notwendige Modernisierungsschub der russischen Gesellschaft und Wirtschaft ist ausgeblieben. Eine politische Lösung des gefährlichen Ukraine-Konflikts ist freilich noch immer möglich. Sie setzt allerdings eine Verständigung über die legitimen Interessen der Ukraine, aber auch Russlands voraus. Schlicht gesagt, der Westen muss Putin etwas bieten, vor allem wirkliche Zusammenarbeit und nicht nur schöne Worte, damit der nicht weiter einen Keil in die Ukraine treibt.

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