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Mittelbayerische Zeitung: Ein Mahner für Freiheit im Schloss Bellevue - Vor zwei Jahren wurde Gauck Bundespräsident. Nach anfänglichem Fremdeln hat er seine Rolle gefunden. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Mitunter werden vorschnelle Äußerungen im Nachhinein vom Lauf der Geschichte zu Wahrheiten gemacht. Und vielleicht ist Joachim Gauck beim gestrigen Spruch des Bundesverfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm ein Stein vom Herzen gefallen. Denn der vor zwei Jahren zum deutschen Staatsoberhaupt gewählte einstige Rostocker Pfarrer und Bürgerrechtler verfing sich ausgerechnet gleich bei seinem Antrittsbesuch bei der EU in Brüssel im komplizierten Beziehungsgeflecht der Verfassungsorgane. Er sehe nicht, dass die Bereitschaft der Bundesregierung zur Euro-Rettung vom Karlsruher Gericht "konterkariert" werde, meinte Gauck seinerzeit flott und optimistisch. Nur, das oberste Gericht in Deutschland hatte noch gar über den Rettungsschirm befunden, Bundestag und Bundesrat waren mit dem Regierungsvorhaben noch nicht befasst gewesen. In der Folge dieses Fauxpas kamen Irritationen, Fragen, Zweifel an der Befähigung des neuen Hausherren im Schloss Bellevue auf. Ist das oberste Staatsamt vielleicht doch eine Nummer zu groß für den Ostdeutschen, mangelt es ihm an Respekt vor den anderen Verfassungsorganen? Nach zwei Jahren im Amt können diese Zweifel als ausgeräumt betrachtet werden. Zwar hat Gauck anfangs gefremdelt, hat Zeit gebraucht, um die neue, ungewohnte Aufgabe auszufüllen. Doch nun hat er seine Rolle gefunden. Er bleibt ein Mahner für Freiheit, die sein Lebensmotto geworden ist, und er bleibt unbequem. Vielleicht sogar ein Stück weit unberechenbar. Auch als Bundespräsident, der vielen diplomatischen Zwängen unterworfen ist, fühlt er sich offenbar weiterhin als "linker, liberaler Konservativer", der bereit ist, all diesen politischen Lagern die Leviten zu lesen. Freilich nicht mehr so penetrant, wie er es als Bürgerrechtler oder Chef der Aktenbehörde des DDR-Staatssicherheitsdienstes getan hat. Den wortmächtigen Widerpart der Kanzlerin, die ihn nicht im Bellevue haben wollte, will Gauck allerdings nicht geben. Nicht wenige hatten genau das von Gauck erwartet, nachdem Angela Merkel zuerst dem unglücklichen Christian Wulff ins Präsidentenamt verholfen hatte. Gauck ist eher ein Weiterdenker, Zuspitzer, wo sich Merkel wortreich um klare Botschaften herumdrückt. Ein Paukenschlag war ganz gewiss seine Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar. Dort schlug Gauck den großen Bogen von der deutschen Verantwortung, die aus früherer Schuld erwächst, vom Wert heutiger Freiheit bis zu künftiger, entschiedener Übernahme von internationaler Verantwortung. Das hatten sinngemäß zwar auch die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen oder Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärt, doch bei Gauck war das Echo am nachhaltigsten. Zum Schutz von Freiheit und Leben gehörten notfalls auch Militärinterventionen, sagt Gauck und folgt damit seiner Logik. Ein Pazifist, komme was da wolle, ist er nie gewesen. Und eigentlich hatte der Bundespräsident, dessen Vater einige Jahre im russischen Straflager verbringen musste, in diesem Frühling eine Reise nach Moskau geplant. Aber die ist offenbar erst einmal ausgesetzt. Schade, denn Gauck hätte Putin einiges zu sagen.

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