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Mittelbayerische Zeitung: Kampf um Madibas Erbe
Kommentar zu Nelson Mandela

Regensburg (ots)

Wochenlang hielt die Welt im Juni den Atem an. Südafrika bangte um Nelson Mandela, der in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Pretoria mit dem Tod kämpfte. Am Mittwoch nun starb Madiba, wie er häufig bei seinem Clannamen genannt wurde, in seinem Haus in Johannesburg. Südafrika trauert um den Vater seiner jungen Nation, die Welt um einen der einflussreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts und vielleicht den letzten großen Helden unserer Zeit. Der Kampf um sein Vermächtnis hat indes längst begonnen. Ein groteskes Beispiel dafür bot ein Besuch von Südafrikas amtierendem Präsidenten Jacob Zuma im April dieses Jahres. Ein sichtlich von Krankheit gezeichneter Mandela sitzt nach einem zehntägigen Krankenhausaufenthalt abwesend auf dem Sofa seines Hauses, umringt von Führungskräften der Regierungspartei African National Congress (ANC), die ungeniert in die Kamera grinsen. Die Nähe zu Mandela bedeutete politische und moralische Legitimation, bedeutete Nähe zur Macht. Auch 20 Jahre nach der Apartheid hat seine Bedeutung für Südafrika nicht abgenommen. Unzählige Straßen, Plätze, Brücken und ganze Regionen sind nach ihm benannt. Sein Konterfei ist allgegenwärtig: Es blickt von jedem Geldschein, prangt auf Hauswänden, T-Shirts, auf Fahnen und Schmuck. Nelson Mandela war der kleinste gemeinsame Nenner in einem Land, das immer noch unter den Folgen der Apartheid, mit Ungleichheit, Rassismus und einer hohen Kriminalitätsrate leidet. Egal ob arm, ob reich, egal welche Hautfarbe oder Herkunft: Auf Madiba als Vater der Nation konnten sich alle einigen. Auch wenn Mandela in den vergangenen Jahren kaum in der Öffentlichkeit auftrat, das Wissen um seine Existenz schien die Menschen zu Versöhnung und Einheit zu mahnen; sei es nur, um Tata - das Wort für Vater in Mandelas Muttersprache Xhosa - vor Kummer zu bewahren. Der ANC, die seit Ende der Apartheid weitgehend unangefochten regierende ehemalige Freiheitskämpferpartei, konnte sich bei den Wahlen immer auf die Kraft ihrer historischen Errungenschaften verlassen. Gerade die arme Bevölkerung machte ihr Kreuz zuverlässig bei der Partei, die in der öffentlichen Wahrnehmung als Symbol für den Kampf gegen und den Sturz des Apartheid-Regimes gilt. Zu dieser Überlieferung gehörte ohne Zweifel auch der Madiba-Bonus. Zwar hielt sich Mandela nach seinem Abschied vom Präsidentenamt 1994 aus der Tagespolitik heraus. Doch gab es keine Zweifel daran, dass er die Partei unterstützte, der er vor inzwischen fast 70 Jahren als Jurastudent beitrat und für die er mit seinem Leben eintrat. Die ANC- Führung war sich ihrerseits nie zu schade, die Mandela-Karte zu spielen, wenn sie in Bedrängnis kam. Doch schon bei der unwürdigen Vorstellung im April zeigten die Südafrikaner, dass sie nicht gewillt sind, die kollektive Erinnerung an ihren Volksheld von Zuma und seiner Partei gestalten zu lassen. Die Reaktionen in den Zeitungen und sozialen Netzwerken waren voller Wut und Trauer über die Zurschaustellung Mandelas. Der kranke Madiba, so der Tenor, sollte nicht für Parteiwerbung benutzt werden, auch wenn er den ANC bei Gesundheit gerne unterstützte. Dass die Regierungspartei im Juni vor dem Krankenhaus in Pretoria Partei-T-Shirts verteilte, stieß den Menschen ebenfalls sauer auf. Der Umgang mit Madibas Erbe wird für alle Südafrikaner eine schwere Aufgabe. Ihr Land, die moderne Republik Südafrika, gab es nie ohne Nelson Mandela. Die Einheit in der Trauer um ihn ist als sein letztes Vermächtnis ein Wegweiser in die Zukunft.

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