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Mittelbayerische Zeitung: Seehofers Spielräume jenseits der roten Linien - An ernsten Verhandlungen zwischen Union und SPD führt kein Weg vorbei. Neuwahlen sind keine Option. Von Christine Schröpf

Regensburg (ots)

Die Koalitionsspiele sind eröffnet. Auch wenn die Protagonisten noch nicht an einem gemeinsamen Tisch Platz genommen haben, schälen sich unverrückbare Positionen von Union und SPD deutlich heraus. CSU-Chef Seehofer hat die bayerischen Standpunkte zementiert: Sein Nein zu Steuererhöhungen hat er mit einem persönlichen Ehrenwort verknüpft. Merkel schickt über ihre Vertrauten ähnliche, wenn auch diplomatischer formulierte Botschaften. Doch beiden geht es im Kern um die künftige Glaubwürdigkeit der Union. Seehofer gibt dazu den harten Hund, Merkel die über allem stehende Staatsfrau. Eine klare, offensichtlich abgesprochene Rollenverteilung. Parallel zu diesem Szenario schraubt die SPD ihren Preis in unermessliche Höhen: Sechs Minister (von 15) und am besten das komplette SPD-Wahlprogramm werden von der 25,7-Prozent-Partei als Voraussetzung für ein Bündnis verkündet. An dieser Maximalforderung lässt sich auch der entscheidende Unterschied im aktuellen Machtpoker ablesen. Die Union ist - sicher mit Blick auf die Bundesratsmehrheit der SPD - ernsthaft an einem Bündnis mit Sigmar Gabriel und Co. interessiert. Bei der SPD herrschen dagegen starke gegenläufige Strömungen. Teile der Führungsspitze würden gerne koalieren, große Teile der Basis möchten die Parteispitze am liebsten mit einem anderen Auftrag ausstatten: Einen Weg zu finden, wie man der Union elegant eine Abfuhr erteilen und ihr gleichzeitig dafür die Schuld in die Schuhe schieben kann. Schließlich will man unter keinen Umständen Bürger verprellen, die sich bekanntlich mit Mehrheit sehr wohl eine große Koalition wünschen. Hinter dem Sträuben der Genossen steckt aber auch die handfeste Angst, von der Merkel-Union in einer Koalition aufgefressen zu werden. Doch das Leben ist kein Wunschkonzert. Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind seit dem 22. September klar und diktieren die Bereitschaft zu Verhandlungen. Die einzigen Alternativen - Neuwahlen oder eine geduldete Minderheitsregierung Merkels - sind keine wirkliche Option. Wer sagt, dass bei Neuwahlen nicht ein ähnliches Ergebnis herauskommt, mit dem einzigen Unterschied, dass womöglich die "Alternative für Deutschland" mit ihren kruden Thesen den Sprung ins Parlament schafft? Auch eine hauchdünne absolute Mehrheit für die Union würde nichts an den Kräfteverhältnissen im Bundesrat ändern. Eine Minderheitsregierung mit geringen Handlungsspielräumen wäre wiederum nur ein Aufschieben von Neuwahlen auf einen späteren Zeitpunkt. Es führt also kein Weg daran vorbei: Union und SPD, danach vielleicht Union und Grüne, müssen sich zusammensetzen und ernsthaft verhandeln. Bei Seehofer kann man zwischen den Zeilen herauslesen, in welchen Punkten er kompromissbereit ist. Beim Mindestlohn dürfte sich ein gemeinsamer Nenner finden. Auch die Pkw-Maut für Ausländer ist nicht in Stein gemeißelt, sofern trotzdem ein großer Batzen Geld für die Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt wird. Bei höheren Rentenansprüchen für Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben, ist man sich ohnehin im Grunde einig. Beim Betreuungsgeld könnte man sich auf die Formel verständigen, dass die Regelung auf den Prüfstand kommt, sofern sich Mitte der Legislatur die große Befürchtung der SPD als wahr erweist: Dass Kinder Schaden nehmen, weil sie einzig deswegen nicht in den Kindergarten geschickt werden, damit das Familienbudget via Betreuungsgeld aufgebessert werden kann. Die Kompromisslinien zwischen Union und SPD sind klar. Bleibt nur noch die Frage, was die Parteien daran hindert, möglichst rasch zu einem Ergebnis zu kommen. Auf Dauer nachvollziehbare Gründe sind es jedenfalls nicht. Wähler werden jedes pure Taktieren mit feinem Gespür registrieren. Sie werden Bremsern oder Falschspielern auf beiden Seiten bei nächster Gelegenheit die Quittung erteilen.

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