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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Verbot des "Freien Netz Süd": Kammeradendämmerung von Reinhold Willfurth

Regensburg (ots)

Das "Freie Netz Süd" ist eine Ansammlung von Verfassungsfeinden. Es wird Zeit für ein Verbot.

Das Boot in Waldau war dann doch nicht voll. Die Bürger des kleinen Dorfes Waldau in der nördlichen Oberpfalz ließen sich nicht von den Flugblättern mit dem altbekannten fremdenfeindlichen Slogan beirren, die das "Aktionsbündnis Nordoberpfalz" im Frühjahr 2012 gestreut hatte, nachdem in einem Haus im Ort Menschen auf der Flucht einquartiert wurden. Die Dorfgemeinschaft jedenfalls nimmt die tsche-tschenischen Familien seitdem fürsorglich unter ihre Fittiche, stattet die Kinder mit gebrauchten Fahrrädern aus und sorgt für einen Platz im Kindergarten. Asylpolitik von unten, wie sie sich die rechtsradikalen Kameraden des "Aktionsbündnisses" so sicher nicht vorgestellt hatten. Auch wenn diese Attacke auf das Volksempfinden ein Fehlschlag war: Einen Versuch war es den Männern des "Freien Netzes Süd", zu dem sich das "Aktionsbündnis" zählt, allemal wert. Mit vermeintlich populären Reizthemen wie Zeitarbeit und Grenzkriminalität, mit Drogenmissbrauch und Wohnungsnot, mit Attacken gegen Wasserprivatisierungspläne der EU und den Euro im Allgemeinen, mit Angriffen gegen die "US-Imperialisten" und mit Appellen, das Land doch nicht "überfremden" zu lassen, wollen die Aktivisten beim deutschen Volk, das ihnen angeblich so am Herzen liegt, punkten. Die Tiraden gegen Bürgermeister, die sich gegen Neonazi-Versammlungen wehren, gegen angebliche rumänische Banden, die arme Hochwasseropfer ausrauben, gegen die "Gutmenschenmafia", die sich diese aggressiven Töne auf der Internetseite des Netzwerks nicht bieten lassen will, sind mitunter schwer erträglich. Die Beiträge zeigen deutlich, wohin die Reise gehen würde, kämen diese Aktivisten an die Macht. Es wäre eine Diktatur vermeintlicher Herrenmenschen, mithin eine Staatsform, die man zumindest in Deutschland für überwunden glaubte. Was liegt also näher, als einen Verein, der die Demokratie, wie sie das Grundgesetz vorsieht, schlicht abschaffen will, zu verbieten? Und damit beginnt schon das Problem. Das Verbot eines Vereins erfordert einen Gesetzesverstoß eines oder mehrerer Mitglieder oder eines gezielten Angriffs auf die Verfassung. Das Dumme ist nur: Das "Freie Netz Süd" ist gar kein Verein, sondern ein loser Zusammenschluss ohne feste Mitglieder oder gar Führungspersonen, jedenfalls offizieller. Die juristische Frage also lautet: Kann man eine Kommunikationsplattform überhaupt verbieten? Warum eigentlich nicht? Wenn diese virtuelle Plattform zur Startrampe wird für reale Aktionen, an deren Ende ein Staat steht, der alle Werte, die unsere Verfassung garantiert, außer Kraft setzt, dann darf sich ein Rechtsstaat dagegen wehren, auch mit dem Mittel des Verbots. Die bayerische Polizei hat am Mittwoch genug Beweismaterial gesammelt, um den braunen Kameraden das Handwerk zu legen. Oder wie soll man die Ansammlung von Pistolen, Schlagstöcken, rechter Propaganda und Hakenkreuzfahnen sonst werten? Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass der Staat ein geschlagenes Jahr gebraucht hat, um die Großrazzia in Gang zu setzen. In seltener Einigkeit hatten sich damals alle Parteien im Landtag für ein Verbot des Netzwerks ausgesprochen. Nicht nur Innenminister Joachim Herrmann hatte sich damals sehr skeptisch gezeigt, dass dies gelingt. Jetzt schlagen seine Beamten los. Die Zeit ist günstig, mitten im Prozess gegen den NSU und einige Wochen vor der Landtagswahl in Bayern. Man kann aber nur hoffen, dass der Elan, den die 700 Polizisten an den Tag gelegt haben, nach dem 15. September nicht wieder in sich zusammenfällt.

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