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Mittelbayerische Zeitung: Gefährlicher Insel-Streit

Regensburg (ots)

Von Louisa Knobloch

Geschlossene Fabriken, zerstörte Autos und Geschäfte: China erlebt gerade die schwersten anti-japanischen Proteste seit Jahrzehnten. Sogar der Ruf nach Krieg mit dem Inselstaat wird laut. Dass der Streit um den Ankauf dreier unbewohnter Inseln durch die japanische Regierung in China so hohe Wellen schlägt, mag hierzulande für Unverständnis sorgen. Die Situation ist jedoch viel komplizierter als sie zunächst scheint - und könnte sehr gefährlich werden. Strittig ist, wem die in Japan Senkaku und in China Diaoyu genannten Inseln überhaupt gehören. Japan will die Inselgruppe 1884 entdeckt haben - 1895 wurden sie während des Ersten Japanisch-Chinesischen Krieges zum japanischen Hoheitsgebiet erklärt. China behauptet seinerseits, die Inseln hätten schon in der Ming-Dynastie zum damaligen Kaiserreich gehört. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Inseln unter amerikanische Militärverwaltung gestellt und schließlich 1972 von den USA an Japan gegeben. Sowohl China als auch Taiwan machten ebenfalls Ansprüche geltend. Die Inseln hatten an Bedeutung gewonnen, weil Ende der 60er Jahre dort große Erdöl- und Erdgasvorkommen entdeckt worden waren. Zudem gelten die Gewässer rund um die fünf Inseln und drei Felsenriffe als fischreich. Sowohl China mit seiner wachsenden Wirtschaft als auch das rohstoffarme Japan haben an Öl und Gas großes Interesse - aktuell mehr denn je. Nach der Katastrophe von Fukushima schaltete Japan seine Atomkraftwerke ab und musste daher mehr Erdgas und Rohöl importieren. Dadurch wies die Handelsbilanz des Landes 2011 erstmals seit 30 Jahren ein Defizit aus. Die japanische Regierung hat die Inseln aber nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen gekauft: Im April hatte nämlich zuerst der Gouverneur von Tokio, Shintaro Ishihara, angekündigt, dass die Präfektur Tokio drei der Inseln von einem japanischen Geschäftsmann erwerben wolle, um sie vor der Übernahme durch China oder Taiwan zu schützen. Ishihara ist ein rechtsnationaler Hardliner, der China schon häufig durch seine extremen Äußerungen provoziert hatte. So leugnete er in einem Interview das Massaker von Nanking, bei dem japanische Soldaten 1937 über 200 000 Chinesen töteten. Japans Regierung befürchtete, dass ein von Ishihara geführter Kauf der Inseln die Beziehungen zu China schwer belasten könnte - das kleinere Übel schien es, ihm zuvorzukommen und sie selbst zu kaufen. Die anti-japanischen Proteste in China hat das nicht verhindert. Der Bürgerrechtler Ai Weiwei warf der Staats- und Parteiführung des Landes vor, die Demonstrationen zu unterstützen. In der Tat ist es auffällig, dass man die Aufrührer gewähren ließ - unerwünschter Protest wird in China sonst sehr schnell unterdrückt. Trauriges Beispiel ist das Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens 1989. Denkbar ist, dass die Kommunistische Partei von Problemen im Inneren ablenken will. Mitte Oktober steht ein Machtwechsel bevor, Vizepräsident Xi Jinping soll Hu Jintao als Staats- und Parteichef ablösen. Da passt es gar nicht, dass Chinas Politik zuletzt von mehreren Skandalen erschüttert wurde. So wurde die Juristin Gu Kailai im August wegen Mordes an einem britischen Geschäftsmann verurteilt - die Affäre beendete die Karriere ihres Mannes Bo Xilai, der als aussichtsreicher Kandidat für einen Führungsposten im Politbüro gegolten hatte. Auch ihm droht nun ein Prozess. Von einem Handelskrieg - etwa durch den Boykott japanischer Waren - ist in China schon die Rede. Auch ein militärischer Konflikt ist nicht auszuschließen. Schiffe aus beiden Ländern patrouillieren in den Gewässern, aus China ist eine Flotte Fischerboote unterwegs. Bereits 2010 war es vor den Inseln zu einem Zwischenfall gekommen, als ein chinesisches Fischerboot zwei Schiffe der japanischen Küstenwache gerammt hatte. Sollte nun etwas ähnliches passieren, könnten die Auswirkungen sehr viel schwerwiegender sein - es sei denn, die beiden Regierungen gehen aufeinander zu. 2008 gab es bereits Gespräche über die gemeinsame Entwicklung von Gasvorkommen im Ostchinesischen Meer - sollte diesmal ein Abkommen gelingen, könnte das Entspannung in den Insel-Streit bringen.

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