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Mittelbayerische Zeitung: Ehrenamt am Krückstock Deutschland laufen die Freiwilligen davon - ein Armutszeugnis und ein Riesenproblem für die Gesellschaft. Leitartikel von Andreas Brey

Regensburg (ots)

Dieser Kongress in Nürnberg ist längst überfällig. Zum ersten Mal diskutieren dort seit Freitag rund 500 Vertreter von Vereinen, Kirchen und anderen Organisationen über die ungewisse Zukunft des Ehrenamts. Denn leider nehmen immer weniger Menschen ihre soziale Verantwortung für die Gesellschaft wahr. Nur noch 17 Millionen der über 14-Jährigen waren es bei der letzten Erhebung, die das Deutsche Rote Kreuz 2011 in Auftrag gegeben hatte. Den Deutschen laufen förmlich die Freiwilligen davon, und dafür gibt es gute Gründe. Während sich in wirtschaftlich starken Bundesländern wie Baden-Württemberg und Bayern noch immer fast 40 Prozent der Bevölkerung (über 14 Jahren) ehrenamtlich engagieren, sind es im armen Berlin nur noch neun. Die extremen regionalen Unterschiede verwundern wenig, wenn man weiß, dass vor allem Bildung, Wohlstand und Familienbande ehrenamtliches Engagement fördern. Wem es selbst nicht gut geht, der hat auch wenig Motivation, sich für andere einzusetzen. Die Gründe für den schleichenden Tod des Ehrenamts sind zudem vielfältig. Man muss genau hinschauen, wer mit welchen Problemen zu kämpfen hat. Die Kirchen beispielsweise, die stets auf eine große Herde freiwilliger Schäfchen in ihren Pfarrgemeinden zählen konnten, haben das Problem der immer schwächer werdenden konfessionellen Bindung an die kirchlichen Institutionen. Viele zahlen zwar noch brav ihre Steuer, sehen jedoch ein Gotteshaus oder ein Gemeindezentrum nur bei Hochzeiten und Todesfällen von innen. Ganz anders liegt der Fall bei den Sportvereinen. Allein die 12 000 Vereine, die dem Bayerischen Landessportverband angehören, haben seit Jahren kein Mitglieder-, sondern ein massives Führungsproblem. In unserer gesundheitsbewussten, aktiven Gesellschaft, in der Sport für viele zum Alltag gehört, gibt es zwar jede Menge Menschen, die gerne und intensiv Sport treiben, aber nur wenige, die auch bereit sind, ein Amt in der Vorstandschaft zu übernehmen. Immer häufiger enden außerordentliche Hauptversammlungen mit Neuwahlen mit der Auflösung des gesamten Vereins, weil sich auch im dritten Anlauf keiner findet, der die Verantwortung übernimmt. Eigentlich ein Armutszeugnis für den betroffenen Verein, aber aus Sicht der potenziellen Kandidaten durchaus verständlich. Denn ein Sportverein mit mehreren Abteilungen und zum Teil mehr als 1000 Mitgliedern, wie es ihn in nahezu jeder größeren Gemeinde gibt, ist mittlerweile zu einem Verwaltungsmonster geworden, das guten Gewissens nicht mehr nebenbei geführt werden kann. Hier handelt es sich vielmehr um kleine Unternehmen mit oft mehreren Mitarbeitern (Platzwart, Putzfrau), Grundbesitz (Sportanlagen und Clubheime) sowie einem Umsatz jenseits der 100 000-Euro-Grenze. Die Politik versucht an dieser Stelle zu helfen, übernimmt beispielsweise Haftpflicht- und Unfallversicherungen. Ein wichtiger Beitrag vor allem im Rettungswesen, wo Feuerwehr und THW ohne Freiwillige verloren wären. Hinzu kommen steuerliche Anreize. Aber es geht in dieser Diskussion nicht ums Geld. Zeit heißt das Zauberwort, denn unsere Freizeit ist ein kostbares Gut geworden. Umso erstaunlicher ist es, dass die, die sich laut Statistik in Bayern am meisten engagieren, mit 44 Prozent die 35- bis 44-Jährigen sind - und nicht die Rentner, die eigentlich am meisten Zeit hätten. Und genau hier liegt der Schlüssel, schlummert das meiste Potenzial. Doch die Generation "60 +" ist kein einfaches Klientel. Diese Gruppe will umworben werden. Jetzt sind die oft jungen Führungsmannschaften gefordert, den Schritt auf die Älteren zu zugehen, ihnen zu zeigen, dass sie gebraucht werden. Damit die wohl einzigartige Erfolgsgeschichte des Ehrenamts - eine geniale Erfindung, bei der es eigentlich nur Gewinner gibt - weitergeschrieben werden kann.

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