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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Katholikentag von Christine Schröpf

Regensburg (ots)

Nein, ein Aufbruch war das nicht. Das zu hochgesteckte Ziel des Katholikentages wurde verfehlt. Die Zaghaften und die Zornigen, die Ängstlichen und die Überforschen haben sich gegenseitig blockiert und dem Glaubenstreffen auf diese Weise einen Teil seiner denkbaren Wucht genommen. Dazwischen feierten die Fröhlichen ein Fest, das die unruhigen Strömungen unter der Oberfläche verdeckte. Man treffe sich hier nicht zum Parteitag, hatte der gastgebenden Erzbischof Robert Zollitsch zum Auftakt gemahnt. Er behielt recht, aber anders als gedacht. Es wurde ein "Multi-Parteien-Tag" des Katholizismus in Deutschland. Mannheim, das wegen seines rasterförmig aufgeteilten Zentrums auch Stadt der Quadrate genannt wird, bot dafür die geradezu passgenaue Kulisse. Das Glaubensvolk teilt sich in der Heimat des Papstes nicht nur in die großen Blöcke der so genannten Konservativen und Liberalen, sondern in viele kleine Gruppierungen. Fronten verlaufen selbst zwischen Laienorganisationen. Das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) als Veranstalter wurde von kirchenkritischen Gruppen des alternativen Katholikentages mindestens genauso hart kritisiert, wie vom Hardliner unter den Bischöfen, dem Kölner Kardinal Joachim Meisner. Dieser hatte zum Auftakt eine verletzende Grußbotschaft geschickt, um dann Richtung Jerusalem abzureisen. ZdK-Vorsitzender Alois Glück, ein Diplomat in Glaubenssachen, gilt den Kritikern als Weichei, weil er seine klaren Positionen zu selten in Schärfe formuliert. Ein unnötiger Affront gegen einen Glaubensbruder, der mit seiner Politik der kleinen Schritte nicht minder hartnäckig für Reformen in der Kirche kämpft. Katholikentagsgäste, die das Zweite Vatikanische Konzil feierten, das vor 50 Jahren viel frischen Wind brachte, wurden von den Kirchenkritikern mit einer Mahnwache empfangen. Das geht zu weit, auch wenn Zorn und Bitterkeit der Protagonisten von Organisationen wie "Wir sind Kirche" teilweise verständlich sind. In Mannheim hatten sie im offiziellen Part kaum Platz. In der evangelischen Johannis-Kirchen fanden sie Unterkunft, weit ab vom Zentrum des Geschehens. Doch gerade wer Polarisierungen in der Kirche beklagt, sollte sie nicht selbst verstärken. Helmut Schüller, Pfarrerrebell aus Österreich, forderte in der Johannis-Kirche eine Art Grundrechtskatalog für Gläubige bei Debatten über konfliktreiche Themen. Der Verhaltenskodex müsste dann allerdings für alle Seiten verpflichtend sein. Denn ob Konservative oder Liberale: Sie muten einander wechselseitig einiges zu. Auch die Bischöfe, die anders als Meisner nach Mannheim kamen, brauchten ein dickes Fell. Die Lieblinge des Katholikentages, die den meisten Beifall bekamen, waren zumeist die Anderen. Daran haben die Oberhirten selbst ihren Anteil: Reformwünsche werden manchmal zu schnell mit Verweis auf den Gehorsam gegenüber Gott und der Heiligen Schrift abgewiesen. So richtig es ist, dass sich nicht jeder seinen Gott backen kann: Die Bischöfe müssen sich selbstkritisch fragen, ob hinter manchem Nein nicht auch nur Scheu vor Veränderungen steckt. Trotz der Konfliktfelder unter der heiteren Katholikentags-Oberfläche und obwohl bei rund 1200 Veranstaltungen vielfach längst bekannte Positionen ausgetauscht wurden: Mannheim war wichtig - auch ohne großen Aufbruch, auch ohne Ruck durch Deutschland. Es wurde nicht Geschichte geschrieben, aber viele kleine Anstöße gegeben, die in den Gemeinden Langzeitwirkung entfalten können. Dort also, wo täglich ein kleiner Aufbruch passieren kann.

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