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Mittelbayerische Zeitung: Hilfskellner und Königin

Regensburg (ots)

Noch marschieren sie gemeinsam, aber immer öfter schlagen sie getrennt. Wenn an diesem Wochenende die FDP in Frankfurt zu ihrem Parteitag zusammenkommt und ab Montag sich die CDU zu ihrem Konvent in Leipzig trifft, könnten die Voraussetzungen kaum unterschiedlicher sein. Obwohl beide Parteien in Berlin gemeinsam am Regierungstisch sitzen - oder vielleicht genau deshalb. Die Liberalen mit ihrer nach einem halben Jahr bereits entzauberten neuen jungen Garde kämpfen ums nackte politische Überleben. Die Christdemokraten mit ihrer nach wie vor unumstrittenen Königin Angela Merkel strecken dagegen heftig die Fühler aus für neue Machtoptionen im Bund. Zumindest im Augenblick spielt der derzeitige Partner in den Überlegungen der Kanzlerin eher die Rolle des Aushilfskellners. Uns stehen spannende Tage bevor, die darüber entscheiden könnten, wer künftig mit wem in Deutschland regiert. Als die FDP-Boygroup mit Philipp Rösler, Christian Lindner und Daniel Bahr den fleischgewordenen Neoliberalismus und einstigen Mister 18 Prozent Guido Westerwelle wie einen Leichtmatrosen von Bord warf, keimten die gelben Hoffnungen wie die ersten Pflanzen nach dem Winter. Doch dann schlug der Frost erst richtig zu. Seit sich die FDP nach einer Serie von Niederlagen bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus mit 1,8 Prozent auf dem Niveau einer Splitterpartei wiederfand, sieht es zappenduster aus. Wer das Problem vor dem Parteitag vor allem an den Spitzenleuten festmacht, trifft nur einen Teil der Wahrheit. Am meisten leidet die FDP darunter, dass sie von den Wählern nur noch als Steuersenkungsverein für Besserverdiener wahrgenommen wird. Und weil von der einst großen liberalen Tradition nur noch Leere geblieben ist. Die Partei erlebt die schwerste Krise ihrer Geschichte, weil sie sich selbst in die Falle gesperrt hat. Der kapitalismuskritische Zeitgeist schlägt so sehr gegen die FDP um, dass sie nicht mehr ernstgenommen wird - egal, was sie auch tut. Das ist das Vermächtnis der eindimensionalen Politik Westerwelles. Gleichzeitig kämpft Rösler noch gegen den Würgegriff der Koalitionspartner, die ihm kaum einen Stich gönnen. Vor ihrem Parteitag stecken die Liberalen in einem mehrfachen Dilemma, das wohl niemand so schnell lösen kann. Ein erneuter Putsch, indem man die alte Garde um Rainer Brüderle als letztes Aufgebot nach vorne schickt, würde die Partei vor eine innere Zerreißprobe stellen, das Kernproblem aber nicht lösen. Und mit einem Bruch der Koalition würde sich die FDP auf sehr lange Zeit selbst in der Bedeutungslosigkeit versenken. Rösler bleibt eigentlich nur, den eigenen Leuten an diesem Wochenende Mut zuzureden, darauf zu hoffen, dass sich Stimmungen bei den Wählern auch wieder drehen können und zu versuchen, grobe Fehler zu vermeiden. Ungleich komfortabler steht Merkel vor ihrem Parteitag in Leipzig da, weil sie ohne großes Federlesen auf die Stimmungsumschwünge in der Öffentlichkeit reagierte. Mit den heftigsten Wenden in der CDU-Geschichte bürstete sie die Partei auf links - zuletzt beim Mindestlohn, vorher bei Atomkraft, Wehrpflicht und Schulpolitik. Bei allen diesen wichtigen Politikfeldern machte sie sich die Positionen der politischen Gegner zu eigen, die sie kurz vorher noch bekämpfte. Damit erreicht Merkel mehrere Ziele. Der Partei schneidert sie ein Everybodys-Darling-Kleidchen, das vielen Wählern der Mitte gefallen könnte. Der Opposition schlägt sie ihre wichtigsten Wahlkampf-Trümpfe aus der Hand. Die bisher trennenden Gräben zu Grünen und zur SPD ebnet sie ein. Und mit ihrer Forderung nach Lohnuntergrenzen besetzt sie das wichtige Gerechtigkeitsthema, das vermutlich die Wahl 2013 entscheiden wird. Die Botschaft, die vom Leipziger Parteitag 2011 ausgeht, wird die FDP erschrecken. So klar, wie sich die CDU im Jahr 2003 an gleicher Stelle auf die schwarz-gelbe Hochzeit festlegte, so deutlich steuert Merkel heute auf eine ganz andere Koalition zu - mit den Grünen oder den Genossen als Partner.

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