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WAZ: RAF-Geschichte ist nicht zu Ende: Eine Chance zur (Teil)-Aufklärung - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

In der öffentlichen Wahrnehmung war die Rote Armee
Fraktion fast schon Geschichte. Die RAF löste sich 1998 offiziell 
auf. Danach ist von deutschen Terroristen, so weit man weiß, keine 
Gefahr mehr ausgegangen. Dennoch ist dieses dunkle deutsche Kapitel 
keineswegs zu Ende.
Und dies nicht nur, weil nun durch neue Zeugen-Aussagen die 
Rechtsprechung im Fall Buback plötzlich doch noch einmal in Frage 
steht. Weil dadurch das Verhalten der Justiz wie der 
Sicherheitsbehörden in einem, seien wir vorsichtig, diffusen Licht 
erscheint. Weil einmal mehr deutlich wird, wie verblendet die 
Terroristen waren - und bis heute noch sind. Der sogenannte deutsche 
Herbst und seine justizielle wie historische Bewertung ist auch darum
noch keine abgeschlossene Angelegenheit, weil die allermeisten der 
Morde noch nicht aufgeklärt sind. Nicht der am früheren 
Siemens-Vorstand Beckurts, auch nicht der am Deutsche-Bank-Chef 
Herrhausen, ebensowenig die Schüsse auf Rohwedder in Düsseldorf. Und 
auch die Ermittlungsakte Schleyer ist noch nicht geschlossen. Das 
liegt eben auch an der ideologischen Verblendung der Täter, ihrer 
Wagenburg-Mentalität, ihrem, vielfach bis heute bestehenden tiefen 
Misstrauen in den deutschen Rechtsstaat. Sie helfen nur insofern an 
der Aufklärung längst vergangener Taten mit, als sie selbst nach 
eigenem Gusto dies für richtig befinden.
Von den 22 Gewalttaten der RAF der sogenannten dritten 
Generation, die sie zwischen 1984 und 1998 verübte, sind erst zwei 
(!) aufgeklärt. Die Terroristen haben 33 Menschen auf dem Gewissen; 
wer wen genau, ist immer noch Sache der Ermittler.
Politiker aller Parteien fordern nun, wieder neu zu ermitteln. 
Für die Behörden, die Bundesanwaltschaft, den Verfassungsschutz, das 
Bundeskriminalamt, werden es Recherchen in eigener Sache werden. Das 
könnte durchaus unangenehm werden. Denn: Hielten die Ermittler 
tatsächlich Informationen zurück, was dann ganz offensichtlich zu 
Fehlurteilen führte? Muss ein ganzes Verfahren neu aufgerollt werden?
Im Hintergrund schwebt wieder die ewige, große Frage: Wie groß 
war damals, wie groß darf heute das Eigenleben von Geheimdiensten 
sein? Inwieweit sollten sie aus eigenem Interesse, etwa um ihre 
Zeugen bzw. Kronzeugen zu schützen, Ermittlungsergebnisse 
zurückhalten dürfen? Eins ist aber auch klar: Zu einer Revision der 
Geschichte taugen die jetzigen Erkenntnisse nicht. Es bleibt klar, 
wer Täter war und wer Opfer.

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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