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WAZ: Die Volksparteien und das Volk - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Die Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern
schreiben einen großen Trend fort: den der Erosion der Volksparteien.
Jene 40 Prozent plus X, die SPD und Union naturgemäß anstreben, um 
ihren Charakter als Integrations-Formationen für breite 
Bevölkerungskreise zu belegen, sind in weite Ferne gerückt. Dort, wo 
die SPD wie in Berlin einen für attraktiv gehaltenen 
Spitzenkandidaten hat, kann sie sich noch bei 30 Prozent festsetzen, 
wo ihr, wie im Nordosten, diese Voraussetzung fehlt, verliert sie 
mächtig. Die Union kommt im Osten gar nicht erst hoch.
Das hat natürlich zu tun mit der Großen Koalition in Berlin. Die 
Bevölkerung ist mit diesem Regierungsbündnis so unzufrieden wie 
zuletzt mit der rot-grünen Koalition, die seit exakt einem Jahr 
Geschichte ist. Die aktuelle Diskussion um die Gesundheitsreform 
dokumentiert einen erschreckenden Mangel an patriotischer Haltung: 
Jede der beiden Parteien blickt nur auf das eigene, möglichst 
unbeschadete Davonkommen, um den Patienten scheint sich niemand zu 
kümmern. Wie hatte Schröder formuliert: erst das Land, dann die 
Partei. So ist es. In der Großen Koalition indes bündeln SPD und 
Union nicht ihre Kräfte, sie laufen gegeneinander. Im Ergebnis 
produziert damit eine Regierung, die numerisch außerordentlich stark 
ist, es gar auf eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit bringt, 
bestenfalls mittelmäßige Ergebnisse. Dass dies Verdruss an der 
Demokratie fördert, liegt auf der Hand. Die Spitzenvertreter der 
Bundesregierung sollten zu einer neuen Haltung finden, damit aus 
einem Misserfolg nicht jene Staatskrise wird, vor der schon Wolfgang 
Schäuble warnte.
Ein Frustrations-Ventil ist die Wahlbeteiligung. Ehrenwert ist 
der Vorschlag des Verfassungsgerichts-Präsidenten Papier, ein 
Mehrheitswahlrecht einzuführen, auf dass es in Deutschland endlich 
klare Regierungs-Verhältnisse gebe. Dieser Versuch ist allerdings 
schon in der ersten Großen Koalition zwischen 1966 und 1969 
gescheitert: an der Hoffnung eines der großen Partner, nach dem Ende 
dieser unnatürlichen Koalition mit einem kleineren weiter regieren zu
können. So wäre es auch diesmal.
Den Erfolg der NPD sollte man, gerade im Interesse der 
Demokratie, nicht kleinreden. Sie sitzen in Sachsen im Landtag, nun 
auch in Mecklenburg-Vorpommern. Wahlkämpfer berichten von 
SA-Methoden. Beklemmend ist der Befund, dass die Hälfte der 
Bevölkerung in Ostdeutschland nicht mehr per se von der Demokratie 
überzeugt ist, und Freiheit als Grundwert hier keine 
Selbstverständlichkeit ist.

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