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WAZ: Anlässlich der Finanzkrise - Was die Politik von sich lernen kann - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Kopfnoten. Gesundheitsreform.
Rentenerhöhung/-senkung. Kohlekraftwerke. Chemie-Pipelines. Gesetze 
werden ersonnen. Gesetze werden diskutiert. Gesetze werden gemacht. 
Bürger akzeptieren. Bürger demonstrieren. Bürger klagen. Gesetze 
werden kassiert. Und alles wieder von vorne. Zeitweise entsteht der 
Eindruck, Deutschland sei eine Stillstands-Republik. Verheddert im 
Klein-Klein, reform-, mehr noch: zukunftsunfähig. Und dann das.
Man muss sich das einmal vorstellen. Da vergehen gerade einmal 
zehn Tage, und die Politik rettet (hoffentlich) nicht mehr und nicht 
weniger als das globale Finanzsystem. Und verhindert einen weltweiten
Geld-Tsunami, dessen Folgen niemand vorhersehen konnte. Nur eins war 
klar: Ob es am Ende hätte so schlimm kommen können wie am Schwarzen 
Freitag 1929, konnte guten Gewissens niemand mehr ausschließen. Es 
hätte jedenfalls eine Unmenge von Verlierern gegeben: Menschen hätten
Geld verloren, womöglich noch mehr Menschen Job und Existenz. Ob am 
Ende dann unsere Demokratie hätte bestehen können, stand für einen 
bangen Moment infrage. Es war vielleicht so etwas wie eine 
geschichtliche Wendemarke. Genau wird man das erst später beurteilen 
können.
Nun ist, auch und gerade an dieser Stelle, oft hingewiesen worden
auf die Unzulänglichkeiten in der Politik. Taktische Spielchen, 
Partei- statt Vertrauenspolitik, usw. Und jetzt wird uns, den 
Politikkonsumenten, gezeigt, wie es auch anders gehen kann, wenn die 
Bedrohung nur groß genug ausfällt. Worin besteht eigentlich die 
Leistung der Politik?
Vordergründig hat sie es geschafft, den eigentlichen Grund der 
Misere, die Vertrauenskrise der Banken untereinander, zu beenden. 
(Hoffentlich auf Dauer). Sie hat aber viel mehr erreicht: den Bürgern
in diesem Moment atemlosen Erschreckens ein Stück existenzieller 
Sicherheit zurückgegeben. Gewiss wird die Finanzwelt morgen nicht 
mehr dieselbe sein wie heute. Aber ganz augenscheinlich müssen wir 
nun nicht mehr fürchten, unsere erlernten und gelebten Gewissheiten 
einzubüßen.
Alle werden aus diesem einmaligen Vorgang ihre Lehren ziehen. 
Vielleicht lässt sich die Politik aber inspirieren vom Erlebnis 
eigener Stärke. Nach dem Motto: Greife niemals in ein Wespennest. 
Aber wenn Du greifst, dann greife fest. Käme es so, dann wäre auch 
diese Großkrise eine Megachance gewesen: verspieltes Vertrauen 
zurückzugewinnen. Die Politik müsste nur auf den Knall hören, den sie
selbst erzeugt hat.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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