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BERLINER MORGENPOST: Mut zu Großprojekten nicht verlieren - Leitartikel

Berlin (ots)

Wenn es doch so einfach wäre: Die Fluglärmkommission hat am Montag ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die Flugrouten für den neuen Großflughafen Berlin-Brandenburg International sollen, wenn eben möglich, um Berlin und Potsdam herum geführt werden. Doch die Entscheidung liegt nicht bei den Betroffenen, sie liegt bei den Behörden. Eben jenen Behörden, die mit ihren ersten Routenvorschlägen die Menschen auf die Straße getrieben hatten. Die Deutsche Flugsicherung und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung müssen bis Januar 2012 über die Flugrouten entscheiden. Jetzt kommt es also zum eigentlichen Prüfstein für die Beteiligung der Bürger an solchen Großvorhaben. Die Behörden müssen auf die Sorgen der Anwohner und ihre Belange eingehen - im Zweifel sogar mehr als auf die Forderungen der Fluggesellschaften nach hoher Wirtschaftlichkeit. Sicherheit ist das höchste Prüfkriterium für die Flugrouten. Aber danach sollten die berechtigten und umsetzbaren Wünsche der Bürger folgen. Denn in der Frage der Flugroutenführung geht es um mehr als nur einen Luftkorridor über Häusern in Wannsee, Steglitz und Potsdam. Seit Stuttgart 21 geht es um die grundsätzliche Frage, wie die Politik mit den berechtigten Interessen Zehntausender Bürger umgeht. Es geht um das Verhältnis von Demokratie und Gesellschaft zu Großprojekten und wirtschaftlicher Entwicklung. Denn wie gefährlich ein Massenprotest für jahrelange Bauvorhaben werden kann, zeigt nicht nur der Bahnhofsneubau in Stuttgart. Auch im Abschlussbericht der Fluglärmkommission gibt es bedenkliche Überlegungen: Im allgemeinen Forderungsteil wird ein Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr gefordert und der Parallelstart von Flugzeugen auf beiden Startbahnen untersagt. Die Fluglärmkommission geht sogar noch weiter: Der Flughafen soll bitte schön nicht auch noch zum Drehkreuz ausgebaut werden. Damit wird der Großflughafen in seiner grundsätzlichen strategischen Ausrichtung in Gefahr gebracht. Das kann und darf nicht sein. Hier müssen die Flughafengesellschaft und die Politik Aufklärung betreiben, wieso die Nachtrandzeiten und das Drehkreuz wichtig sind für die Entwicklung des Flughafens. Denn nur mit Starts und Landungen in der Zeit von 22 bis 0 Uhr und von 5 bis 6 Uhr - also in den eigentlichen Randzeiten - ist ein Betrieb mit Langstreckenflügen im internationalen Wettbewerb möglich. Der Flughafen und die Milliarden Euro, die Berlin, Brandenburg und der Bund in das Projekt investiert haben, sollen ihn zu einem Wirtschaftsmotor für eine ganze Region machen. Denn nichts braucht Berlin dringender als neue Arbeitsplätze. Wer Bürgerbeteiligung ernst nimmt, muss die Menschen schon früh in die Planung von Großprojekten mit einbeziehen. Bei den Flugrouten kam diese Beteiligung fast zu spät. Demokratie ist immer ein Wettbewerb um bessere Argumente. Eine getroffene Entscheidung muss aber dann auch von allen respektiert werden. Denn sonst droht Stillstand. In Anlehnung an Willy Brandt, dem Namenspatron des neuen Großflughafens, möchte man sagen: Wagen wir mehr Demokratie, aber haben wir auch den Mut, dann zu Entscheidungen zu stehen.

Pressekontakt:

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Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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