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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Berliner Pfusch und der Standort Deutschland - Leitartikel

Berlin (ots)

Deutschland ist - nach eigenem Anspruch und wohl
auch im Urteil aller anderen - ein Hightechland. Ein Land der 
Spitzentechnologie also. Uns in Berlin allerdings überkommen 
zunehmend Zweifel, ob wir wirklich so gut sind, wie wir vorgeben und 
die Welt draußen von uns noch immer glaubt. Wenn in der Hauptstadt 
eines Hochtechnologielandes länger als ein Jahr die S-Bahn ihre 
technischen Probleme nicht lösen kann oder wenn nur neun Jahre nach 
Einzug schon wieder grundlegende Sanierungsarbeiten in seiner 
Regierungszentrale anstehen, drängt sich die peinliche Frage nach 
Problemlösungskompetenz und Qualitätsarbeit auf.
Nach der Bonner "Bundessparkasse" hat sich Helmut Kohl als damaliger 
Bauherr beim Berliner Kanzleramt ganz bewusst für ein repräsentatives
Regierungshauptquartier entschieden, das architektonisch zugleich 
eine Vision für die Zukunft sein sollte. Dass für dieses 
ambitionierte Ziel einige technische Raffinessen und Neuheiten nötig 
waren, verstand sich für ein Hightechland von selbst. Dass vieles 
davon nicht einmal neun Jahre gehalten hat, ist rufschädigend, ja 
skandalös für ein Land, das seine Technik in alle Welt verkaufen 
muss.
Wenn jetzt amtlich behauptet wird, die Schäden seien seit Langem 
bekannt und vor allem auf den Zeitdruck zurückzuführen, den Kohls 
Nachfolger Gerhard Schröder ausgeübt habe, klingt das sehr deutlich 
nach Schutzbehauptung. In Wahrheit hat die Bauleitung ihre Pflichten 
vernachlässigt. Vor allem aber rächt sich einmal mehr, dass bei 
öffentlichen Bauten fast immer der billigste Anbieter den Zuschlag 
erhält.
Darunter leidet allzu oft die Qualität. Mit der Konsequenz, dass 
andere Firmen mit teuren Nacharbeiten beauftragt werden müssen. Dabei
ist das Kanzleramt leider kein Einzelfall. Im Paul-Löbe-Haus mit 
seinen Sitzungssälen und Bundestagsbüros mussten bereits Scheiben 
ersetzt und weitere Schäden beseitigt werden. Ausgerechnet das neue 
Bauministerium an der Invalidenstraße, 1999 für rund 45 Millionen 
Euro gebaut, wird derzeit für 36 Millionen Euro saniert. Deutsche 
Wertarbeit sieht anders aus. Einmal mehr bestätigt sich, dass teuer 
bestraft wird, wer am falschen Ende spart. Billig ist nicht immer 
preiswert. Pfusch am Bau ist eine teure Sünde. Das sollten auch alle 
öffentlichen Auftraggeber einschließlich des Berliner Senats 
verinnerlichen.
Womit wir auf die S-Bahn zurückkommen. Das Staatsunternehmen Deutsche
Bahn hat nicht nur skrupellos ihre Berliner Nahverkehrstochter 
finanziell ausgebeutet. Sie hat sich auch als unfähig erwiesen, deren
erhebliche technische Probleme zu lösen. Alle Schuld jetzt auf den 
Hersteller der Züge zu schieben, ist ausgesprochen grotesk. Und wirft
ein weiteres schlechtes Licht auf das Hightechland Deutschland. Das 
bekommt nicht nur Probleme nicht in den Griff. Das hat auch noch 
Manager, die, statt sich um die Lösung des Problems zu kümmern, ihre 
Verantwortung leugnen. Manchmal ist es besser, wenn die Welt nicht so
genau auf Berlin schaut...

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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