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Berliner Morgenpost: Die Steuerreform und das Blaue vom Himmel - Leitartikel

Berlin (ots)

Vielleicht hätten die beiden Parteien ihr
Regierungsbündnis tatsächlich etwas sorgfältiger bedenken sollen, ehe
sie sich kurz vor den Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des 
Mauerfalls die Hände reichten und zumindest vierjährige Treue 
schworen.
Vielleicht müsste man Wahlprogramme, die eigenen wie die der 
politischen Konkurrenz, auch nur etwas ernster nehmen. Wenigstens 
Lesen sollte drin sein.
Vielleicht irren wir uns auch einfach nur, und alles ist Harmonie, 
Besprechungen unter Regierungspartnern wie gestern Nachmittag nicht 
mehr als eine für den reibungslosen Ablauf der Dinge notwendige 
Routine. Vielleicht.
Ganz sicher aber ist, dass diese schwarz-gelbe Koalition nicht einmal
100 Tage nach ihrer Bildung sehr viel Kredit verspielt hat, nicht nur
den eigenen, sondern auch einen Teil jenes Kredits, den die Bürger 
ihrer Demokratie immer wieder bestätigen müssen. In Krisenzeiten, und
in denen befinden wir uns, so wacker wir uns auch halten, ist ein 
solch läppischer, gedankenloser Umgang mit den Grundformen unseres 
Gemeinwesens gefährlich.
Es ist ja nicht so, dass nicht beide Parteien gute Argumente hätten. 
Natürlich müsste eine zukunftsorientierte Politik nach einem Jahr 
heftigster Staatsinterventionen in hohem Maße darauf bedacht sein, 
dieses Zuviel an staatlichem Eingriff schnell zurückzuschrauben. 
Bürger, aber auch Unternehmer brauchen jetzt Gelegenheiten, sich aus 
eigener Kraft wieder freizustrampeln, selbst zu wirtschaften und so 
die Möglichkeit von Fortschritt wiederherzustellen. Eine 
Steuerreform, die dazu einen Anstoß gäbe, Freiräume schaffte und 
Chancen, jenseits staatlicher Regulierung zu agieren, ist dringend 
geboten, mindestens aber wünschenswert.
Andererseits sind die Bedenken derjenigen, die davor warnen, der 
Gemeinschaft Gestaltungsmöglichkeiten zu verkürzen, nicht einfach vom
Tisch zu wischen. Wir wünschen uns bessere Schulen, niedrige bis gar 
keine Kita-Gebühren, höheres BAföG, besten Winterdienst, eine S-Bahn,
die ihre Fahrzeuge pünktlich wartet und dabei die Fahrpreise 
attraktiv und günstig hält, ein neues Energiesystem für das Land, 
biologische, konkurrenzfähige, möglichst in Brandenburg produzierte 
Lebensmittel, also Subventionen, sowie ein künftig in stärkerem Maße 
steuerfinanziertes Gesundheitssystem auf möglichst hohem Niveau. Im 
Zweifel wünschen wir uns auch noch das Blaue vom Himmel. Man sollte 
also zusehen, dass bei aller Lust zur Steuerreform (und wer hätte 
nicht gerne mehr Geld in der eigenen Tasche, herrlich) ein paar Taler
übrig bleiben, um auch diesen Wünschen wenigstens einigermaßen 
entgegenzukommen.
Wie gesagt, diese Gemengelage war bekannt, bevor sich Union und FDP 
das Jawort gaben für die neue Legislaturperiode. Nun sind, endlich, 
gemeinsame Lösungen gefragt, die beide Anliegen und Argumente ernst 
nehmen. Dass die Koalitionsspitzen nach ihrem gestrigen Treffen nicht
einmal Ansätze solcher Lösungen aufzeigen wollten, ist in diesem 
Zusammenhang eher ein Armutszeugnis.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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