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Berliner Morgenpost: Eine Katastrophe für Merkels Wahlkampf - Leitartikel

Berlin (ots)

Die CDU ist mal wieder dabei, einen potenziellen
Wahlsieg zu zerreden. Ist ihr Versprechen, in der nächsten 
Legislaturperiode die Steuern zu senken, angesichts staatlicher 
Rekordverschuldung schon nicht besonders glaubwürdig, wird die 
Ankündigung vollends konterkariert durch das laute Nachdenken eines 
CDU-Landesfürsten über die Erhöhung des reduzierten 
Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent. Was Baden-Württembergs 
Ministerpräsident Günther Oettinger, für gewöhnlich eher eine graue 
Politmaus, da losgetreten hat, kommt für Angela Merkels 
Wahlkampfstrategie einer Katastrophe ziemlich nah.
Oettinger nährt nämlich nicht allein die Zweifel am ernsthaften 
Willen seiner Partei zur Steuersenkung. Er stellt vor allem die 
Fähigkeit der CDU zum sozialen Ausgleich infrage. Denn der niedrigere
Mehrwertsteuersatz gilt insbesondere für Lebensmittel und würde 
deshalb Menschen mit geringem Einkommen besonders treffen. Da ist sie
dann wieder, die vermeintlich mangelnde soziale Kompetenz der Union. 
Sie wurde ihr schon vor vier Jahren mit dem Einfachsteuersystem des 
Heidelberger Professors Paul Kirchhof fast zum Verhängnis. Daraus 
Konsequenzen ziehend, soll vom Wahlprogramm 2009, das heute gemeinsam
von den Parteivorständen der CDU und CSU in Berlin beschlossen wird, 
das Signal ausgehen, die Union könne wirtschaftliche Kompetenz mit 
sozialem Ausgleich verbinden. Günther Oettinger hat Angela Merkel 
dieses Signal gründlich vermasselt. Und der im Umfragetief 
verharrenden SPD die Munition frei Haus geliefert, auf die Franz 
Müntefering und Frank-Walter Steinmeier gelauert haben.
Es bedarf nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was sich der 
Regierungschef aus Stuttgart heute in der großen Vorstandsrunde wird 
anhören müssen. Aber was hat ihn geritten? Naive steuerliche 
Fachbetrachtungen zur Unzeit oder doch gezielte Illoyalität, gar 
bewusste Intrige? Oettinger hat mit der Kanzlerin noch eine Rechnung 
offen, nachdem sie ihn vor Monaten in der Sache Filbinger öffentlich 
zur Ordnung gerufen hatte. Vor allem aber würde im Fall eines 
Wahlsiegs die heimliche Hoffnung des einen oder anderen 
CDU-Landesfürsten endgültig platzen, Angela Merkel rechtzeitig vor 
dem eigenen Altwerden zu beerben. Nicht ohne Hintersinn meinte 
kürzlich ein Unionsmann mit Einfluss, es wäre das Beste, wenn die 
Ministerpräsidenten der CDU bis zur Wahl schweigen würden...
Wieder hat die Union ein Glaubwürdigkeitsproblem mit ihren 
Steuerversprechungen. Dabei hat sie im Kern recht. Nach einer 
Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und 
Entwicklung (OECD) zahlen die Deutschen mit durchschnittlichem 
Einkommen höhere Steuern und Abgaben als vergleichbare Beschäftigte 
in den meisten anderen Industriestaaten. Eine Minderung dieser Last 
ist also nicht prinzipiell unsozial. Sie ist eigentlich überfällig. 
Das sieht übrigens die SPD nicht völlig anders. Auch sie verspricht 
den Wählern mit einem niedrigeren Eingangssatz und einer 
300-Euro-Bonus-Zahlung beim Verzicht auf einen Lohnsteuerausgleich 
niedrigere Steuern.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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