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Aufstiegsangst? Eine Studie zur sozialen Ungleichheit beim Hochschulzugang im historischen Zeitverlauf

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Düsseldorf/Berlin (ots)

Vodafone Stiftung Deutschland stellt Studie zur sozialen Ungleichheit beim Studienzugang vor // Umfassende historische Untersuchung zur Wirkung der Bildungsreformen seit den 1960er Jahren // Bildungsexpansion und Maßnahmen zur Öffnung des Hochschulzugangs leisteten nur sehr geringen Beitrag zum Abbau sozialer Ungleichheit // Hochschulbildung noch immer sozial selektiv // Junge Menschen aus bildungsfernen Schichten kommen vor allem über berufsbildenden Bereich zur Studienberechtigung // Beitrag des klassischen Gymnasiums beim Abbau sozialer Ungleichheit dagegen gering // Immer mehr bildungsferne Jugendliche erhalten über Fachhochschulreife Studienberechtigung, immer weniger ergreifen aber tatsächlich ein Studium // Sinkende Studierquote vor allem bei bildungsfernen Familien

Die Beteiligung an Hochschulbildung ist in Deutschland im internationalen Vergleich niedrig und zudem sehr stark von der sozialen Herkunft abhängig. Akademikerkinder verfügen heute über eine etwa sechsmal so hohe Chance, ein Studium aufzunehmen wie junge Menschen aus bildungsfernen Elternhäusern. Noch immer sind auch die Zugangswege zum Studium sozial selektiv. So sind die Chancen, die allgemeine Hochschulreife ("klassisches" Abitur) zu erreichen, für Schüler aus gebildeten Elternhäusern noch immer etwa siebenmal höher als für Schüler aus bildungsfernen Familien. Der Großteil der Bildungsfernen findet den Weg zur Studienberechtigung über alternative Wege. Insgesamt lässt sich jedoch feststellen, dass die in den 1960er Jahren angestoßene Öffnung der Hochschule durch zusätzliche berufsbildende Wege zum Abitur oder die Fachhochschulreife nur in sehr geringem Maße dazu geführt hat, dass mehr Schüler aus bildungsfernen Familien an Hochschulbildung teilnehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle, von der Vodafone Stiftung Deutschland vorgestellte Untersuchung mit dem Titel "Aufstiegsangst? Eine Studie zur sozialen Ungleichheit beim Hochschulzugang im historischen Zeitverlauf". Die Studie ging aus dem Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung hervor und liefert die bisher größte Datenauswertung zum Hochschulzugang in Abhängigkeit von der sozialen Herkunft seit Beginn der Bildungsexpansion in Deutschland. "Die Studierendenquote in Deutschland wird immer noch stark von der sozialen Herkunft der Jugendlichen geprägt. Wir brauchen Initiativen, die sozial benachteiligten Jugendlichen die Aufstiegsangst nehmen", kommentiert Dr. Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland, die Ergebnisse. Die Bildungsexpansion, die in den sechziger Jahren begonnen wurde, scheint somit ihr Ziel nicht erreicht zu haben. Die Öffnungsprozesse, so Autor Steffen Schindler, trugen zwar wesentlich dazu bei, dass heute mehr Schüler aus bildungsfernen Familien eine Studienberechtigung erreichen, allerdings setzt sich diese Entwicklung nicht bis an die Hochschulen fort. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zunehmend geringere Anteile dieser Studienberechtigten tatsächlich ein Studium anstreben. Mit anderen Worten: Mehr jungen Menschen aus bildungsfernen Schichten stünde ein Studium offen, es wird aber nicht aufgenommen. Zugleich wird das Abitur - auch dies zeigt die Studie - in immer mehr Ausbildungsberufen zur Standardvoraussetzung.

Großer Beitrag berufsbildender Wege bei der Steigerung der Studienberechtigten-Quoten

Der Anteil eines Altersjahrgangs, der eine Hochschulzugangsberechtigung erreicht, hat in den vergangenen Jahrzehnten drastisch zugenommen. Lag dieser Anteil Ende der 1960er-Jahre noch knapp unter zehn Prozent, so verfügt heute annähernd die Hälfte eines Jahrgangs über eine Studienberechtigung. Zu dieser Entwicklung trugen auch wesentlich die Öffnungsprozesse des Bildungssystems bei. Studienberechtigungen werden heute nicht mehr nur an den allgemeinbildenden Gymnasien vergeben, sondern auch an Institutionen des berufsbildenden Bereichs, wie Fachgymnasien, Fachoberschulen, Kollegschulen oder in Kombination mit Berufsausbildungsgängen. Etwa 40 Prozent aller Studienberechtigungen werden heute über das berufliche Bildungssystem oder den zweiten Bildungsweg vergeben, der überwiegende Teil davon in der Form der Fachhochschulreife.

Berufsbildende Wege leisten Beitrag zum Abbau sozialer Ungleichheiten beim Zugang zur Studienberechtigung

Beim Zugang zur Studienberechtigung besteht ein hohes Ausmaß an sozialer Ungleichheit. In den zurückliegenden 30 Jahren sind jedoch die Studienberechtigten-Quoten der Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern kontinuierlich angestiegen. Verfügten Mitte der 1970er-Jahre lediglich 15 Prozent der Schüler aus bildungsfernen Familien über eine Studienberechtigung, sind es heute etwa 35 Prozent. Im Vergleich dazu schwanken die Quoten der Schüler, deren Eltern selbst über eine Hochschulreife verfügen, im gleichen Zeitraum zwischen 60 und 70 Prozent. Trotz Aufholprozess der bildungsfernen Gruppen besteht also auch heute noch eine große Ungleichheit beim Erreichen der Studienberechtigung. Die Zuwächse, die für die bildungsfernen Gruppen zu verzeichnen sind, ergeben sich vorwiegend über die berufsbildenden Wege zur Hochschulreife. Über die Hälfte der Studienberechtigten aus bildungsfernen Familien erwirbt die Studienberechtigung an einer berufsbildenden Institution. In den allermeisten Fällen geschieht dies in der Form der Fachhochschulreife. Damit leisteten die Öffnungsprozesse im berufsbildenden Bereich sowie die Einführung der Fachhochschulreife einen entscheidenden Beitrag zum Abbau sozialer Ungleichheiten beim Zugang zur Studienberechtigung.

Gymnasium ist nicht sozialer Türöffner. Der Abbau der Ungleichheiten beim Zugang zur allgemeinen Hochschulreife fällt geringer aus

Der Abbau sozialer Ungleichheiten beim Zugang zur Studienberechtigung ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass zunehmend mehr Schüler aus bildungsfernen Familien eine Fachhochschulreife erwerben. Die Quoten der allgemeinen Hochschulreife steigen hingegen nur geringfügig an (von zehn Prozent im Jahr 1976 auf 17 Prozent im Jahr 2008). Betrachtet man nur den Zugang zur allgemeinen Hochschulreife ("klassisches" Abitur), lässt sich ebenfalls eine leichte Abnahme der Ungleichheit beobachten. Diese fällt aber marginal aus im Vergleich zur Abnahme der Ungleichheit, die man insgesamt (unter Einbezug der Fachhochschulreife) beobachtet. Der Beitrag des klassischen Gymnasiums zum Abbau sozialer Ungleichheit ist somit eher gering.

Bildungsferne Schüler scheuen Aufnahme des Studiums. Studierquote von Studienberechtigten mit Fachhochschulreife sinkt

Die Studierquote bezeichnet den Anteil unter den Studienberechtigten, der tatsächlich ein Studium an einer Universität oder Fachhochschule aufnimmt. Unter den Studienberechtigten mit allgemeiner Hochschulreife weist die Studierquote im Zeitverlauf einen recht stabilen Trend auf. Die Quoten schwanken seit den 1970er-Jahren leicht um die 90 Prozent. Die Studierquoten der Studienberechtigten mit Fachhochschulreife liegen hingegen wesentlich niedriger und weisen zudem einen rückläufigen Trend auf. Während sie Ende der 1970er-Jahre noch bei etwa 70 Prozent lagen, sind sie inzwischen auf 50 Prozent gesunken. Die Hälfte der Studienberechtigten mit Fachhochschulreife, die zu einem großen Teil aus bildungsfernen Familien stammen, verzichtet heute also auf ein Studium.

Soziale Ungleichheit beim Übergang von der Hochschulreife zum Studium steigt

Anhand der Studienberechtigtenbefragungen des Hochschul-Informations-Systems (HIS) kann gezeigt werden, dass die soziale Selektivität in den Studierquoten im Zeitverlauf ansteigt. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Studierbereitschaft unter den Studienberechtigten aus bildungsfernen Elternhäusern immer mehr abnimmt. Während Mitte der 1970er-Jahre noch etwa 80 Prozent dieser Studienberechtigten ein Studium anstrebten, sind dies 30 Jahre später nur noch 50 Prozent. Bei Schülern aus Elternhäusern, die über einen Hochschulabschluss verfügen, nimmt die Studierbereitschaft im gleichen Zeitraum lediglich von 90 auf knapp 80 Prozent ab. In der Studie werden für die rückläufigen Studierquoten bildungsferner Gruppen zwei Gründe genannt. Zum einen wurde durch den allgemein erleichterten Zugang zur Hochschulreife die Entscheidung zwischen Studium und Berufsausbildung zunehmend auf den Zeitpunkt nach der Hochschulreife verschoben. Effekte der sozialen Herkunft zeigen sich dann verstärkt bei dem Bildungsübergang nach dem Erwerb der Hochschulreife, da Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern häufiger den Berufsausbildungen zuneigen, während ein Studienwunsch bei den Schülern aus gebildeten Elternhäusern die Norm ist. Die Bildungsforschung hat gezeigt, dass Menschen aus bildungsfernen Milieus eher zu konservativen Bildungsentscheidungen neigen und aus ihrer Sicht riskantere Bildungsinvestitionen scheuen. Zum anderen hat sich die Hochschulreife zunehmend zur faktischen Zugangsvoraussetzung für viele Ausbildungsberufe entwickelt. Daher streben viele Schüler aus bildungsfernen Familien die Hochschulreife vermehrt deshalb an, um die Erfordernisse für den Zugang zu den Berufsausbildungen zu sichern. Im Resultat enthält die Gruppe der Studienberechtigten aus bildungsfernen Elternhäusern zunehmend größere Anteile an Schülern, die keine Studienabsicht hegen.

"Alte neue Ungleichheit": Öffnungsprozesse tragen zu ansteigenden Ungleichheiten in den Studierquoten bei

Studienberechtigte aus bildungsfernen Elternhäusern weisen unabhängig davon, wo und in welcher Form sie die Studienberechtigung erworben haben, stets niedrigere Übergangsquoten ins Studium auf als ihre Mitschüler aus gebildeten Elternhäusern. Eine seit den 1970er-Jahren ausgeprägte Abnahme der Studierquoten zeigt sich jedoch lediglich für Schüler aus bildungsfernen Familien an den berufsbildenden Schulen (von knapp 80 Prozent in den 1970er-Jahren auf heute etwa 40 Prozent). Für Schüler aus gebildeten Familien zeigt sich an berufsbildenden Schulen hingegen ein nur leicht rückläufiger Trend der Studierquoten. Daher nehmen die sozialen Selektivitäten des Übergangs in die Hochschulbildung innerhalb der berufsbildenden Schulformen zu. Am allgemeinbildenden Gymnasium ist hingegen weder eine starke Abnahme der Studierquoten noch eine Zunahme sozialer Selektivitäten in den Studierquoten zu beobachten. Da die Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern ihre Studienberechtigung zunehmend in Form der Fachhochschulreife an den berufsbildenden Institutionen erwerben, tragen die Öffnungsprozesse also zu den insgesamt ansteigenden Ungleichheiten in den Studierquoten bei.

Geringe Effekte der Öffnungsprozesse auf die Ungleichheit beim Zugang zur Hochschulbildung

Die Öffnungsprozesse haben dazu beigetragen, dass die soziale Ungleichheit beim Zugang zur Hochschulreife abgebaut und beim Übergang von der Studienberechtigung ins Studium verstärkt wurde. Anhand von Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) kann gezeigt werden, dass die Kombination der beiden gegenläufigen Entwicklungen zu einem leichten Abbau der sozialen Ungleichheiten beim Zugang zur Hochschulbildung beigetragen hat. Der Ungleichheitsabbau beim Zugang zur Hochschulreife wiegt also stärker als der Ungleichheitsaufbau beim Bildungsübergang nach der Hochschulreife. Durch die Öffnungsprozesse wird jedoch nur ein sehr geringer Beitrag zur Reduktion der Ungleichheit beim Hochschulzugang geleistet. Die Studie führt dies darauf zurück, dass die Öffnungsprozesse lediglich Korrekturmöglichkeiten bereits getroffener Bildungsentscheidungen anbieten. Berufsbildende Wege zur Hochschulreife setzen frühestens in Form von Aufbauschulformen an, die an die Mittlere Reife anschließen. Zu diesem Zeitpunkt sind viele Ausbildungs- und Lebenspläne schon geschmiedet.

Die Studie zeigt, dass Schüler aus bildungsfernen Familien zu selten den Versuch unternehmen, mit dem Erwerb der Hochschulreife die erste Hürde auf dem Weg zur Hochschulbildung zu nehmen. Dr. Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland: "Nachhaltige politische Maßnahmen zur Reduktion sozialer Ungleichheiten müssen aus diesem Grund vornehmlich zu früheren Zeitpunkten in der Bildungslaufbahn ansetzen. Aber auch ermutigende Beratung und Informationsvermittlung zur Studienplanung und Studienfinanzierung, die sich an bildungsferne Schulabgänger richtet, können der sinkenden Studierquote entgegen wirken. Von unserer Stiftung geförderte Initiativen wie ArbeiterKind.de leisten hierbei einen wichtigen Beitrag, dass Schüler mit schwierigen Ausgangsbedingungen die Hemmschwelle zu studieren überwinden."

Hinweis:

Die Studie ist als ePub innerhalb der App der Vodafone Stiftung Deutschland im Apple-Store und Android-Market sowie unter www.vodafone-stiftung.de abrufbar.

Vodafone Stiftung Deutschland

Die Vodafone Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland. Unter dem Leitmotiv "Erkennen. Fördern. Bewegen." unterstützt die Stiftung als gesellschaftspolitischer Thinktank insbesondere Programme in den Bereichen Bildung, Integration und soziale Mobilität mit dem Ziel, Impulse für den gesellschaftlichen Fortschritt zu geben, die Entwicklungen einer aktiven Bürgergesellschaft zu fördern und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es der Vodafone Stiftung Deutschland vor allem darum, benachteiligten Kindern und Jugendlichen den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.

Pressekontakt:

Vodafone Stiftung Deutschland gemeinnützige GmbH
Danyal Alaybeyoglu
Leiter Kommunikation
Tel.: 0211 / 533-6786
danyal.alaybeyoglu@vodafone.com
www.vodafone-stiftung.de

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