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Wenn Babyprodukte den ärztlichen Empfehlungen widersprechen - Mangelhafter Gesundheitsschutz: foodwatch fordert strengere Standards für Säuglingsnahrung

Berlin (ots)

Viele als Baby-Produkte angebotene Lebensmittel stehen im Widerspruch zu den ernährungswissenschaftlichen oder ärztlichen Empfehlungen für Säuglinge. Die Hersteller versprechen Eltern gesunde Produkte, tatsächlich können diese jedoch Überfütterung und Kariesbildung fördern oder Babys früh an einen hohen Zuckergehalt gewöhnen. Das hat die Verbraucherorganisation foodwatch heute in einer Pressekonferenz in Berlin kritisiert, unterstützt von Experten der Bundeszahnärztekammer sowie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Leipzig.

Ob Süßigkeiten speziell für Säuglinge, Schokoladen- und Keks-Brei ab dem 6. Monat oder Tee auf Zuckergranulatbasis: Was viele Lebensmittelhersteller als gesunde oder altersgerechte Nahrung für Babys und Kleinkinder empfehlen, wird diesem Anspruch oft nicht gerecht. Besonders deutlich wird dies bei den kohlenhydratreichen Trinkmahlzeiten: Wegen des Risikos der Überfütterung und Kariesbildung fordern Kinderärzte seit Jahren, die Vermarktung einzustellen. Während Danone darauf reagiert und seine unter der Marke Milupa verbreiteten Trinkmahlzeiten vom Markt genommen hat, bieten Hipp und Nestlé solche Produkte weiter an. Die von Nestlé mit allerlei Gesundheitshinweisen beworbene "Alete Mahlzeit zum Trinken" ist auch einer von fünf Kandidaten bei der von foodwatch ausgerufenen Wahl zum Goldenen Windbeutel 2014, bei der Verbraucher unter www.goldener-windbeutel.de noch bis Ende September über die frechste Werbelüge des Jahres abstimmen können.

foodwatch sprach sich für eine gesetzliche Regelung aus, nach der nur noch solche Produkte als Säuglingsnahrung vermarktet werden dürfen, die den Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften entsprechen.

   - Prof. Dr. Wieland Kiess, Direktor der Klinik für Kinder- und 
     Jugendmedizin, Universitätsklinikum Leipzig: "Die Ernährung in 
     den ersten Lebensmonaten ist prägend und beeinflusst das spätere
     Ernährungsverhalten eines Menschen. Deshalb ist es wichtig, eine
     zu starke Süßgewöhnung im Säuglingsalter zu vermeiden. Dem 
     sollte Säuglingsnahrung Rechnung tragen."
   - Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der 
     Bundeszahnärztekammer: "Frühkindliche Karies in den ersten 
     Lebensjahren ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Schuld daran 
     ist nicht zuletzt die häufige Gabe von süßen Getränken oder 
     süßen Zwischenmahlzeiten, denn diese verursachen Karies schon an
     den ersten Zähnchen. Das hat langfristige Folgen: Kinder mit 
     frühkindlicher Karies entwickeln auch im Erwachsenengebiss 
     deutlich häufiger Karies."
   - Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von 
     foodwatch: "Wenn Lebensmittelhersteller Produkte wie 
     Trinkmahlzeiten nicht nur anbieten, sondern auch noch als gesund
     bewerben, ist ihnen die Gesundheit der Kinder offenbar 
     gleichgültig. Das lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Der 
     Gesetzgeber muss durch strengere Vorgaben sicherstellen, dass 
     nur noch solche Produkte als Baby-Nahrung auf den Markt kommen, 
     die im Einklang mit den kinder- und zahnärztlichen Empfehlungen 
     sind."

FOODWATCH-PRODUKTCHECK: ANSPRUCH, WIRKLICHKEIT UND EMPFEHLUNGEN FÜR SÄUGLINGSNAHRUNG

Säuglingsnahrung unterliegt EU-weiten Bestimmungen, die in Deutschland in Form der Diätverordnung in nationales Recht umgesetzt sind. Darin ist geregelt, dass die "Zutaten" der Produkte "für die besondere Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern geeignet" sein müssen - für die Zusammensetzung der Zutaten gibt es jedoch oft keine adäquaten Vorgaben.

Die Hersteller von Säuglingsnahrung selbst formulieren hohe Ansprüche an ihre Produkte: Alete (Nestlé) bietet nach eigener Aussage "gesundheitlich unbedenkliche (...) Produkte für die sichere Ernährung", Hipp stellt sich in die "Verantwortung für die natürliche und gesunde Ernährung" von Babys, Milupa (Danone) verspricht Eltern "nur das Beste für ihr Kind", bei Holle "stehen (...) Sicherheit und Qualität immer an erster Stelle", "für eine gesunde Ernährung von Anfang an", und Rossmann will mit seiner Marke Babydream "Vertrauen schaffen" und für eine "ausgewogene Ernährung" sorgen. Tatsächlich haben alle Hersteller Produkte im Sortiment, die zwar als babygerecht beworben, von Medizinern jedoch nicht für Säuglinge empfohlen werden:

   - Trinkmahlzeiten: Hipp, Bebivita (ebenfalls Hipp), und Alete 
     haben die Milch-Getreide-Mischungen im Sortiment. Experten 
     kritisieren eine kohlenhydratreiche Flaschenfütterung wegen des 
     Risikos der Überfütterung und der Kariesbildung. So fordert die 
     Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und 
     Jugendmedizin (DGKJ) bereits seit 2007 einen unverzüglichen 
     Stopp der Vermarktung an gesunde Säuglinge. Diese sei 
     "unverantwortlich und gefährdet die Kindergesundheit", schrieb 
     die Fachgesellschaft in einer Stellungnahme. Auch das 
     Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) sowie die Deutsche 
     Gesellschaft für Ernährung (DGE) raten von Trinkmahlzeiten ab.
   - Kekse für Säuglinge: Von Holle, Babydream (Rossmann), Alete und 
     Hipp für Babys ab dem 8. Monat angeboten. Laut 
     Herstelleraussagen sollen sie "hervorragend als 
     Zwischenmahlzeit" geeignet (Holle) und "ideal für kleine Hände" 
     sein, "mit wertvollem Bio-Getreide" und "zum Knabbern für die 
     ersten Zähnchen" (Hipp). Die Kekse haben einen Zuckergehalt von 
     14,6 (Holle) bis 25 Prozent (Alete). Das von der Bundesregierung
     ins Leben gerufene Netzwerk "Gesund ins Leben" empfiehlt jedoch 
     "möglichst wenig Zucker" für Babys. Die Bundeszahnärztekammer 
     warnt, süße Zwischenmahlzeiten führten "zur Entwicklung einer 
     frühkindlichen Karies".
   - Babybrei mit Zuckerzusatz: "Bei der Herstellung [von Beikost] 
     sollte auf den Zusatz von Salz und Zucker verzichtet werden, um 
     eine entsprechende Prägung des kindlichen Geschmacks zu 
     vermeiden", so die Empfehlung der Ernährungskommission der 
     Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). 
     "Aromen sind überflüssig", betonen das Dortmunder 
     Forschungsinstitut für Kinderernährung und das Netzwerk "Gesund 
     ins Leben". Alle Ratschläge missachtet Danone: Der als gesund 
     beworbene Milupa "Milchbrei Schoko ab dem 6. Monat" enthält 
     nicht nur synthetisches Vanillin-Aroma, sondern auch mehr als 9 
     Prozent Zucker im angerührten Brei. Ähnlich hohe Zuckergehalte 
     stecken auch im Grießbrei der Sorten "Bourbon-Vanille" und 
     "Babykeks" von Hipp sowie im "Grießbrei Vanille-Geschmack" der 
     Hipp-Tochter Bebivita.
   - Zuckergranulat-Tee für Kleinkinder: "Babys und Kleinkinder 
     sollten Wasser oder ungesüßte Kräutertees trinken", so die 
     unmissverständliche Empfehlung der Bundeszahnärztekammer. Hipp 
     dagegen bietet unter seiner Marke Bebivita Instant-Tees auf 
     Basis von Zuckergranulat an, empfohlen für Kleinkinder ab dem 
     12. Monat. Auch unter der Hauptmarke Hipp hatte der Hersteller 
     lange solche Granulat-Tees im Sortiment - dafür gewann Hipp 2012
     den "Goldenen Windbeutel" und nahm die Produkte vom Markt. Als 
     Ersatzprodukt brachte das Unternehmen klassische Teebeutel in 
     den Handel - ohne Zuckerzusatz.

Wahl zum Goldenen Windbeutel: www.goldener-windbeutel.de

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN:

   - Digitale Pressemappe mit einem Hintergrundpapier zu den 
     genannten Produkten sowie wissenschaftlichen Empfehlungen mit 
     allen Zitat-Quellen: http://bit.ly/1wLnGqX
   - Zahnmedizinisches Konzept "Frühkindliche Karies vermeiden": 
  www.bzaek.de/ECC-Konzept

REDAKTIONELLER HINWEIS:

   - Fotostrecke zu den genannten Bildern sowie ausführliche 
     Pressemappe zum Download: www.foodwatch.de/material-kinder

Pressekontakt:

foodwatch e.V.
Martin Rücker
E-Mail: presse@foodwatch.de
Tel.: +49 (0)30 / 24 04 76 - 2 90

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