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Hellmuth Karasek: "Bis zur Mia-Farrow-Affäre hat Woody Allen sein Privatleben perfekt abgeschottet"

Hellmuth Karasek: "Bis zur Mia-Farrow-Affäre hat Woody Allen sein Privatleben perfekt abgeschottet"
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München (ots)

Hellmuth Karasek (74) spricht im Tele 5-Exklusiv-Interview über 
seine Begegnungen und Lieblingsfilme mit Woody Allen, dem Tele 5 in 
der "Meisterwerke Matinée" eine Reihe widmet. 'Verbrechen und andere 
Kleinigkeiten' ist beim Spielfilmsender am 10. August, um 10.10 Uhr, 
zu sehen. Es folgen an den kommenden Sonntagen 'Eine 
Sommernachts-Sexkomödie', 'Der Stadtneurotiker' und 'Bananas'.
Tele 5: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Woody-Allen-Film?
Hellmuth Karasek: 'Der Strohmann' von 1976, der sich mit der 
McCarthy-Ära und dem Berufsverbot in Hollywood auseinandersetzt. Sehr
komisch fand ich Woody Allen dann in 'Take the Money and Run' und in 
'Mach's noch einmal, Sam', der eine herrliche Parodie auf 
'Casablanca' ist. Darin zeigte Woody Allen das erste Mal, dass ein 
schwächlicher Intellektueller in der Liebe gegen einen 
geschäftsumtriebigen Macho gewinnen kann. Dass der Schwächere 
gewinnt, ist ja ein Kernthema der Komik.
Sind Sie durch diese Filme auch zum Woody-Allen-Fan geworden?
Zum Fan bin ich durch 'Manhattan' geworden. Ich hatte das große 
Vergnügen, dass ich zu dieser Zeit mit Woody Allen in Zürich an einer
Diskussion teilnehmen sollte. Woody Allen kam allerdings nicht und 
ich bin allein aufs Podium gegangen, habe etwas gemurmelt wie "Das 
kann ja was werden" - und habe dadurch zum ersten Mal einen Lacher in
der Öffentlichkeit bekommen. Das war schon ein sehr befreiendes 
Erlebnis.
Sie haben Woody Allen aber später dann doch noch getroffen...
Ich bat den Produzenten, dass ich Woody Allen am Drehort 
interviewen wolle. Der antwortete mir zuerst, das ginge nicht, denn 
Woody Allen gäbe keine Interviews, wenn er gerade dreht. Ich habe 
darauf gepocht, dass er ihn wenigstens fragt und ausrichtet, dass 
meine Frau und ich zwei seiner Drehbücher für einen deutschen Verlag 
übersetzt haben. Das hat offensichtlich funktioniert, denn 
schließlich durfte ich Woody Allen bei 'Eine 
Sommernachts-Sex-Komödie' in der Nähe von New York treffen. Das war 
eine wunderbare Shakespeare-Variante, wo - quid pro quo - die Liebe 
allen den Kopf verdreht und alle alles tauschen.
Und das Interview?
Ein großer Vorteil war, dass es sehr heiß war und meine Frau wie 
Woody Allen rote Haare und viele Sommersprossen hatte. Dadurch 
entstand eine große Sympathie zwischen den beiden, Allen hielt seinen
Arm neben den von meiner Frau und sagte: "Mensch, Sie haben ja mehr 
Sommersprossen als ich". Von da an war das Eis gebrochen und wir 
haben ein sehr schönes Interview gemacht.
Was zu der damaligen Zeit nicht so einfach war...
Es war sehr schwer damals, aber ich hatte einen Fuß in der Tür. 
Und Woody Allen hatte auch Vertrauen zu mir, weil die Interviews nie 
etwas Indiskretes enthielten. Und nebenbei: Er erzählt auch nichts 
Indiskretes. Bis zu dieser Mia-Farrow-Affäre hat er sein Privatleben 
perfekt abgeschottet.
Hat er von vornherein gleich gesagt, dass Sie nichts Privates 
fragen dürfen?
Nein, da bin ich von allein drauf gekommen. Manches muss man nicht
fragen.
Haben Sie Woody Allen später noch öfter getroffen?
1992 drehte er in New York im Winter, das war kurz bevor die Sache
mit Mia Farrows Adoptivtochter raus kam. Ich wollte Woody Allen 
interviewen und er ließ mich lange in seinem Wohnwagen warten, der 
voller Kinderspielzeug war, einem Basketball und Marshmellows. Nach 
über einer Stunde kam er zurück und sagte: "Weil Sie solange gewartet
haben, dürfen Sie jetzt bei einer Bettszene zuschauen." Wir stiegen 
dann eine Treppe in einem Haus hoch, wo ein nacktes Pärchen unter der
Decke lag. Allen sagte noch grinsend, dass er die Szene gerne selbst 
gedreht hätte, sie ihm aber zu anstrengend wäre, griff in seine 
Tasche und holte Pillen raus: "Jetzt brauche ich selbst beim Drehen 
schon Beruhigungspillen!" Das war der einzige Witz, den er gemacht 
hat. Und er sagte noch, er hätte immer schon Kummer mit dem Sex. Da 
habe ich später sehr genau verstanden, was er damit meinte.
Waren Sie denn überrascht, als seine Liaison mit der Stieftochter 
an die Öffentlichkeit kam?
Ich war nicht überrascht, weil ich gerade von Billy Wilder kam und
der einen Bekannten in New York hatte, einen älteren Autor, der auch 
mit Woody Allen befreundet war. Und Wilder sagte zu mir: "Stell dir 
vor, was Schreckliches passiert ist: Mia Farrow hat Aktfotos auf dem 
Kaminsims von ihrer Adoptivtochter mit Woody Allen gefunden." Ich 
sagte nur, schön blöd, wenn man die da liegen lässt.
Kann man die private Person Allen überhaupt von dem Filmemacher 
trennen, der in seinen Filmen auch immer Autobiographisches 
durchscheinen lässt?
Ich denke, dass Künstler meist nur über sich selbst und ihre 
Komplikationen schreiben - ob Sie an Mozarts 'Don Giovanni' oder 
Billy Wilders 'Frau ohne Gewissen' denken oder an Woody Allens Film. 
Billy Wilders 'Reporter des Satans' ist ein Reporter-Film, und Billy 
Wilder war ja auch Reporter. Er war auch Eintänzer, viele seiner 
Helden sind kleine Angestellte und diese Erfahrungen lassen Filme wie
'Das Apartment' sehr persönlich werden. Ein großartiger Film - und 
auch Woody Allens beste Filme erinnern sehr an 'Das Apartment'.
Die Vermischung zwischen Tragik und Komik?
Genau. Das Leichtnehmen der Tragik und das Ernstnehmen der Komik 
in der Liebe.
Sie haben später einen Dokumentarfilm über Woody Allen gedreht.
Das war fürs Fernsehen, 'Mr. Manhattan', und ich habe mich später 
sehr geärgert darüber, denn ich habe für das Interview gerade mal 
2000 Mark bekommen, der Film lief aber in aller Welt im Fernsehen 
rauf und runter, in unzähligen Wiederholungen. Aber so kommt das, 
wenn man schlechte Verträge hat.
Inzwischen sind Sie schlauer...
Nein, [lacht] ich habe es nicht mehr nötig, schlauer zu sein. Ich 
kriege diese Chance nicht mehr.
Haben Sie Allen bei dem Film auch privat kennengelernt?
Ich war bei seinen Jazzkonzerten dabei. Wir waren auch zusammen in
einem Feinkostladen, den er immer aufsuchte und wo die typische New 
Yorker-jüdische Klientel hinging. Da holte er sich Pickles und Gurken
und vor allem Pastrami, das ist ein koscherer Schinken, weil er nicht
aus Schweine-, sondern Rindfleisch besteht. Allen und ich haben auch 
über Sport sehr viel gesprochen, er war begeisterter Baseball-Fan. 
Ich fragte ihn in meiner damaligen Naivität: "Was, Sie gucken Sport?"
Ich konnte es nicht fassen, dass der große Woody Allen ins Stadion 
geht. Da sagte er, Baseball sei wie Kaugummikauen fürs Hirn.
Besuchten Sie mit ihm mal ein Spiel?
Die Tortur, mir ein Baseballspiel anzugucken, das ist für mich das
Langweiligste auf der Welt. Das ist wahrscheinlich so langweilig wie 
für die Amis unser Fußball. Auch Billy Wilder ist es nicht gelungen, 
mich davon zu überzeugen, dass American Football schöner ist als 
Soccer.
Gibt es Bonmots von Woody Allen, die sie besonders gern zitieren?
Ich mag solche Zitate, wie über das ewige Leben, da sagt Woody 
Allen: "Und wer kümmert sich dann um die Reinigung der Wäsche?" Oder:
"Gibt es einen Gott? Und gibt es ein gutes Hotel in Kansas City?"
Haben Sie einen Lieblingsfilm von Woody Allen?
Lange war es 'Manhattan', 'Der Stadtneurotiker' finde ich 
inzwischen aber besser. Anfangs dachte ich noch, was für ein doofer 
deutscher Titel - inzwischen finde ich diesen aber wunderbar, denn er
trifft für alle Woody-Allen-Figuren zu, die intellektuelle Neurotiker
New Yorks sind. 'Hannah und ihre Schwestern' ist ein ganz wunderbares
Werk, ebenso 'Verbrechen und andere Kleinigkeiten'. Am Anfang habe 
ich Woody Allens Filme nur gemocht, wenn er auch mitgespielt hat. Es 
hat sich dann bei mir sogar eine Zeitlang eine gewisse 
Woody-Allen-Müdigkeit eingestellt, die aber durch Scarlett Johansson 
in 'Match Point' wieder gelöst wurde.
Inwiefern das?
Der Film hat mich beeindruckt, denn er nimmt noch einmal das Thema
von 'Verbrechen und andere Kleinigkeiten' auf: Eine große Liebe, die 
in einem Verbrechen mündet, weil die stärkere Gier die Geldgier ist. 
Da sieht man auch, dass der Sex auf einmal weg vom Gesellschaftsspiel
geht und mit einer Mordgeschichte verbunden wird. In Allens 
Intellektuellen-Komödien wird man ja sonst geschieden und die Frau 
wird eine Lesbierin oder betrügt oder verlässt ihn.
Ist es die Wende zum Krimi, die sie Sie fasziniert hat?
Nicht mal so sehr, dass das ein Krimi ist, sondern dass Sex immer 
noch so urtümliche Verbrechen produziert wie in der Antike, etwa in 
'Medea' oder 'Ödipus'. In Allens 'Scoop - Der Knüller', den ich 
ebenfalls toll fand, wird das gleiche Thema nochmals auf witzige Art 
zelebriert und es hat schon was von einer Persiflage auf Hitchcocks 
'Berüchtigt', wenn die beiden in dem Keller herumstöbern. Und ich mag
es, wenn gezaubert wird und dem Zauberer die Tricks daneben gehen.
Was mögen Sie an 'Verbrechen und andere Kleinigkeiten'?
Das Doppelleben dieses einerseits schwächlichen Intellektuellen 
und andererseits nicht mehr liebenden Arztes, dem die Freundin lästig
wird und sie von der Mafia beseitigen lässt, und trotzdem nicht 
auffliegt. Woody Allen hat darin mit dem Vorurteil aufgeräumt, 'Crime
doesn't pay' - also bei Allen lohnt sich Verbrechen. Das musste sein 
großes Vorbild Billy Wilder in 'Frau ohne Gewissen' noch verstecken. 
Über dieses Werk sagte Woody Allen ja, "das ist der beste Film von 
Billy Wilder und es ist der beste Film von uns allen überhaupt - der 
amerikanische Film schlechthin". Woody Allen kopiert ihn ja auch in 
manchen Komödien als Bild, wenn ein Paar sich etwa 'Frau ohne 
Gewissen' im Fernsehen anschaut.
Gab es andere Billy-Wilder-Filme, die Allen inspiriert haben?
Allen fand noch 'Reporter des Satans' ganz toll. Allen ist 
überhaupt ein großer Cineast, weil er es versteht, geschickt und 
einfallsreich zu zitieren und Szenen in seinen eigenen Arbeiten 
einzufädeln, um so ein eigenständiges Werk daraus zu machen.
Woody Allen sagte mal, dass er bei jedem Film ein absolutes 
Meisterwerk schaffen möchte, vom Schlage eines 'La Dolce Vita' oder 
'Rashomon', er aber immer wieder scheitern würde.
Er hat immer Verbeugungen vor ganz großen Regisseuren gemacht. Und
ihnen gegenüber fühlt sich Allen als Künstler, der Kleinigkeiten 
macht. Man kann es mit Heine sagen: "Aus meinen großen Schmerzen mach
ich die kleinen Lieder". Aber die Kleinigkeiten sind inzwischen bei 
Allen Hauptsachen geworden, das sind große Filme. Dass er das selber 
nicht von sich sagen wird, ist auch völlig klar, das ist keine 
Koketterie, sondern das Ungenügen an der eigenen Arbeit. Man ist zwar
zufrieden, aber sagt, es hätte noch besser werden können.
Wie sieht für Sie ein perfekter Kinobesuch aus?
Ich gehe gerne ins Kino, wenn's voll ist. Das ist das schönste am 
Kino.
Allein sitzen Sie nicht gerne da?
Nein, vor allem bei Komödien nicht. Ich weiß noch, wie ich 'Der 
Stadtneurotiker' allein in einem Presse-Screening gesehen habe, weil 
ich bei der Hauptvorführung in Hamburg nicht da war. Das war ein 
toller Film, aber es nimmt ihm schon etwas, wenn niemand sonst lachen
kann. Auch bei Krimis: Sie merken genau, wann das Publikum atemlos 
schweigt - das ist so fantastisch. Mit Billy Wilder und Woody Allen 
habe ich darüber gesprochen, das es eine große Kunst ist, den 
Zuschauer zum Verbrecher überlaufen zu lassen. In 'Frau ohne 
Gewissen' gibt es einen tollen Moment, als die beiden den perfekten 
Mord begangen haben, aber das Auto springt nicht an, wie sie 
wegfahren wollen. Dreimal passiert nichts, und dann springt es 
endlich an... und in dieser Sekunde merkt der Zuschauer, dass er auf 
der Seite des Verbrechers ist. Ähnlich ist es in Alfred Hitchcocks 
'Psycho', wenn das Auto des Mörders nicht untergeht. Als es doch 
untergeht, gibt es eine riesige Erleichterung. Und auch bei 'Match 
Point': Das Thema, wenn der Tennisball aufs Netz fällt und man nicht 
weiß, auf welcher Seite er runterkommt, wird in der Szene wieder 
aufgegriffen, als der Ring nicht ins Wasser fällt. Wir denken, jetzt 
ist der Held verloren. In Wahrheit rettet ihn genau das, denn ein 
Ganove findet den Ring und wird überführt, weil die Polizei glaubt, 
dass er der Raubmörder ist. Ungeheuer raffiniert. Wir wünschen diesem
miesen Kerl, dass er davon kommt.
Die heimlichen Mordgelüste des Zuschauers...
Dass das Böse siegt, ist in den letzten Jahren etwas aus der Mode 
gekommen. Gestern war ich in 'Don Giovanni' in Salzburg. Wenn der zur
Hölle fährt, singen alle am Ende noch fröhlich "So ergeht es einem 
Schurken", das wirkt immer etwas drauf gepappt, damit das Schicksal 
von Don Giovanni noch eine Moral hat. Schöner ist es wenn es keine 
Moral hat - wie etwa in 'Verbrechen und andere Kleinigkeiten". Ich 
kann mir keinen perfideren Mord vorstellen, weil der Mörder nur ein 
Schreibtischtäter ist und einen Verwandten bei der Mafia die Arbeit 
machen lässt. Er selbst möchte damit nichts zu tun haben. Das ist wie
ein Bombenabwurf, bei dem man die Folgen nicht sieht.
Interview: Steffen Wulf
Woody-Allen-Reihe auf Tele 5, immer Sonntag vormittag:
10. August, 10.10 Uhr, 'Verbrechen und andere Kleinigkeiten'
17. August, 10.35 Uhr, 'Eine Sommernachts-Sexkomödie'
24. August, 10.20 Uhr, 'Der Stadtneurotiker'
31. August, 10.15 Uhr, 'Bananas'
Textrechte: ©Presse Tele 5, Verwertung honorarfrei nur bei 
Programmhinweis auf Tele 5.
Wir lieben Kino.
Tele 5. Der Spielfilmsender

Pressekontakt:

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Steffen Wulf, Jochem Becker
Tel. 089-649568-174, -176, Fax. -119,
E-Mail: presse@tele5.de

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