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Rheinische Post: Kommentar: Zehn Thesen zur Tigerenten-Wahl

Düsseldorf (ots)

Es war die Zeit der frühen Hochrechnungen, da
verschickten die ersten aus dem bürgerlichen Lager via Handy und ohne
weitere Worte das Bild eines kleinen schwarz-gelben Holzspielzeugs, 
das seit dem TV-Duell zum Wahlkampfsymbol geworden ist: die Tigerente
von Janosch. Hätten die Urheber eine Textzeile dazustellen wollen, 
sie wären am Stoßseufzer "Uff!" nicht vorbei gekommen. Es hatte 
Zweifel gegeben, ob es zu einer bürgerlichen Koalition reichen würde,
zu wirkungsmächtig war die Sorge, die SPD hole im Endspurt auf wie 
2005. Am Ende kann Schwarz-Gelb jedoch mit einer soliden Mehrheit 
regieren, rechnerisch sogar ohne Überhangmandate. Zeit für eine erste
Analyse der Tigerenten-Wahl:
Erstens: Erstmals wieder seit 1994 gab es bei der Bundestagswahl 
rechnerisch keine linke Mehrheit. Trotz oder gerade in der Krise 
setzt die Mehrheit der Wähler auf Union und FDP, denen sie eher 
zutrauen, das schlingernde Schiff auf Kurs zu halten. Die große 
Koalition wurde als verbrauchte Ausnahme wahrgenommen.
Zweitens: Angela Merkel kann weiter regieren. Sie hat es jedoch nicht
vermocht, ihren Kanzlerinnenbonus in Prozentpunkte für die Union 
umzumünzen. Stattdessen erzielte die CDU/CSU ihr zweitschlechtestes 
Ergebnis bei Bundestagswahlen, nur 1949 war sie mit 31 Prozent 
schwächer. Merkel geht mit ihrer Wunschkoalition aus dem Wahltag, 
aber nicht gestärkt. Die Debatte über den richtigen Kurs der Union  
und damit über eine mögliche Trennung von Kanzleramt und CDU-Vorsitz 
wird lauter werden. Merkels drei männliche Parteivizes drängten 
gewiss nicht zufällig sofort mit besorgten Statements vor jede 
Kamera.
Drittens: Die SPD hat ein Desaster erlebt. Ohne überzeugenden 
Kandidaten, ohne Konzept driftete sie dem Aus entgegen. Vorerst ist 
sie keine Volkspartei mehr. Ob sie sich in der Opposition erneuern 
kann, ist ungewiss. Ob Steinmeier und Müntefering sie dabei führen, 
noch ungewisser. Steinmeiers Ankündigung, die Oppositionsführer-Rolle
anzunehmen, soll die linken Widersacher in der Partei überrumpeln. 
Trotzdem ist die Agenda-2010-SPD seit gestern Geschichte.
Viertens: Die Linkspartei ist kein Phänomen mehr, sondern von Dauer. 
Wer immer also die SPD künftig lenkt, muss eine Annäherung zur 
Linkspartei suchen, um die Trennung der Linken aufzuheben, eine 
historische Folge der Zwangsvereinigung von Sozialdemokratie und 
Kommunisten 1946 in der sowjetisch besetzten Zone. Der bald 
anstehende Abgang von Lafontaine und Franz Müntefering dürfte diesen 
Prozess in den nächsten Jahren ermöglichen.
Fünftens: Die FDP ist der große Wahlsieger. Sie ist auf dem Weg vom 
Mehrheitsbeschaffer zur Vollpartei, aber noch nicht zur Volkspartei. 
Guido Westerwelle und die Liberalen werden die Politik der neuen 
Bundesregierung stark prägen, die Union treiben. Wenn sie dabei 
seriös bleiben, nicht überziehen, können sie auf Dauer wieder Politik
gestalten.
Sechstens: Die Grünen bleiben eine Generationenpartei, die mit den 
Liberalen um die Mitte ringt. Ihre Festlegung auf eine unrealistische
Ampelkoalition, ihre Absage an die Union hat sie taktisch eingemauert
und für viele Wähler unattraktiv gemacht.
Siebtens: Obwohl mit Schwarz-Gelb noch einmal eine klassische 
Konstellation obsiegte, müssen alle Parteien ihre 
Koalitionsmöglichkeiten neu definieren. Dass eine Protestgruppierung 
wie die Piratenpartei, die sich vor allem an die digitale Intelligenz
wendet, aus dem Stand rund zwei Prozent erhielt, zeigt die neue 
Beweglichkeit der Wähler.
Achtens: Die niedrige Wahlbeteiligung darf nicht überbewertet werden.
Viele vorangegangene Bundestagswahlen drehten sich um 
Richtungsentscheidungen  Westbindung, Ostpolitik, deutsche Einheit , 
diese Wahl fand in einer Zwischenzeit statt. Merkel und Steinmeier 
polarisierten nicht. Und: Viele Nichtwähler drückten bewusst ihren 
Unmut aus, vor allem enttäuschte SPD-Anhänger.
Neuntens: Für die NRW-Landtagswahl bedeutet dieser Sonntag keine 
Vorentscheidung. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag im Bund muss 
wirtschaftliche Vernunft und sozialen Ausgleich ausstrahlen. 
Überzeugt der schwarz-gelbe Start in Berlin, gibt es in Düsseldorf 
eine Neuauflage.
Zehntens: Wir Journalisten sollten die Tigerente ab heute zurück ins 
Kinderzimmer schicken. Die Zeiten sind ernst  und deshalb 
schwarz-gelb.

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Rheinische Post
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Telefon: (0211) 505-2303

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